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Der nötige Mut

Vor 60 Jahren, am 17. Juni 1953, brach in der DDR ein Volksaufstand aus. Kurz zuvor hatte die SED gegenüber der Kirche eingelenkt.

Von Gunnar Lammert-Türk

„Ihr, die ihr in Moskau wart, wisst ja nicht, was Kirche und was Pfarrer sind! Ihr lauft immer noch mit der alten Voreingenommenheit herum. Wir haben die Pfarrer im Lager kennengelernt und ihre Haltung oft bewundert.“ Heinrich Grüber, einer der Pfarrer, der während des „Dritten Reiches“ im Konzentrationslager saß, zitiert in seinem Lebensbericht diesen Kommunisten, der sich so gegenüber einem Genossen äußerte, der aus der Moskauer Emigration zurückgekehrt war.

Verständigungsbrücke zwischen Christen und Kommunisten

Für Grüber, der von 1949 bis 1958 als Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Regierung der DDR tätig war, bildete die gemeinsame Lagererfahrung eine Verständigungsbrücke zwischen Christen und Kommunisten. Nicht nur, um die Rechte der Kirche beim ostdeutschen Staat zu sichern, sondern auch, um gemeinsam die Nachkriegsgesellschaft zu gestalten. Wobei für ihn die Bewahrung der Kircheneinheit über die Systemgrenzen hinweg und die Wiedergewinnung der Einheit Deutschlands unstrittig dazu gehörten.Ab der Jahresmitte 1952 wurde die Hoffnung auf eine Annäherung der deutschen Teilstaaten empfindlich getrübt. Im März hatte Stalin den West-Alliierten Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands angeboten, die diese jedoch abgelehnt hatten. Darauf entschied die sowjetische Führung, in der DDR ein anderes Modell umzusetzen. Auf der zweiten Parteikonferenz der SED im Juli wurde dieses Vorhaben von Walter Ulbricht, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, propagiert.

Offener Kampf gegen die Kirche

Einher damit ging, neben verstärkter Industrialisierung und erhöhtem Druck zur Kollektivierung der Landwirtschaft, auch der offene Kampf gegen die Kirche. Durch Kürzung der staatlichen Zuschüsse und das Verbot von Straßensammlungen wurde sie finanziell geschwächt. An vielen Orten wurde die Bahnhofsmission aus den Bahnhöfen herausgedrängt. Kirchliche Krankenhäuser, Behinderteneinrichtungen, Alten- und Kinder-heime wurden beschlagnahmt. Besonders hart traf es die kirchliche Jugend. Als „Agentennester des amerikanischen Geheimdienstes“ wurden die Jungen Gemeinden in der Presse diffamiert, mehrere Tausend junge Christen von den Schulen verwiesen. Schließlich machte die Regierung den Versuch, die Einheit der Kirche aufzulösen. Auf sogenannten Pfarrerkonferenzen, zu denen politisch genehme Pfarrer eingeladen wurden, wurden diese bedrängt, sich gegen Otto Dibelius, Bischof von Berlin-Brandenburg, und die gesamtdeutsche Kirchenleitung zu stellen.

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