Kühsen. Die Kirchengemeinde Nusse-Behlendorf hat einen mobilen Glockenturm, der wohl der einzige in Deutschland mit Straßenzulassung ist. Seit 2006 zieht ihn ein Landwirt mit dem Trecker auf einem Anhänger reihum einmal im Monat in eines der 14 Dörfer der Kirchengemeinde, in denen es keine eigene Kirche gibt. Regelmäßig werden dann Dorf-Gottesdienste angeboten, die mobile Glocke ruft die Menschen mit ihrem Geläut.
Wie kam es dazu? „2003 war das Läutewerk der Kirche in Behlendorf kaputt“, erzählt Ulrike Nehls vom Kirchengemeinderat. Damals habe es ein Glockenfest gegeben, um Spenden für eine neue Glocke einzuwerben. Ein Zimmermann habe als Puzzle für die Kinder einen hölzernen Glockenturmbausatz beigesteuert. Der wurde mit viel Spaß zusammen gebaut – und bald darauf die Idee geboren, eine Glocke für den Miniturm anzuschaffen und umherzuziehen. „Man wollte die Menschen auf den umliegenden Dörfern einbeziehen“, so Nehls. „Und Energie sparen, um die Kirche nicht jeden Sonntag heizen zu müssen.“
"Barmhezigkeit" war der Gemeinde egal
Die Kirchengemeinde suchte nach einer Glocke und kam durch einen Tippfehler an das heutige Exemplar. „In Maria Laach in der Eifel, wo die dritte Glocke für den Behlendorfer Turm gegossen wurde, gab es eine Glockengießerei, die uns einen Fehlguss zum Materialpreis anbieten konnte“, schildert Nehls. Wer genau hinsieht, findet „Barmhezigkeit“ auf den Rand der Glocke graviert – in dem Schriftzug fehlt der Buchstabe „R“. Das war den Nusse-Behlendorfern gleichgültig, die Glocke wurde gekauft.
Montiert auf einem Anhänger, war der Holzturm jedoch 20 Zentimeter zu hoch, um vom TÜV eine Genehmigung zum Fahren zu erhalten. Die Lösung: Die Turmspitze konnte herunter geklappt werden – damit war der mobile Glockenturm einsatzbereit. „Anfangs haben wechselnde Landwirte ihn abgeholt und mit dem Trecker in den Ort gefahren, wo Gottesdienst war“, erinnert sich Pastor Tobias Pfeifer. Heute kümmere sich ein einzelner Landwirt darum. Nachdem das erste Exemplar bald verwittert war, wurde ein neues gebaut – nun aus haltbarem Lärchenholz und etwas kleiner. Schon auf dem Hamburger Kirchentag 2013 war das Unikat zu sehen.