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Der Herbst kommt

Wir spüren es: Der Herbst ist im Anmarsch. Der Sommer weicht, die Tage werden kürzer. Die Dunkelheit vertreibt das Licht. Schon tauchen die ersten Tipps für Pilzfreunde auf. Unserem Hausmeister genehmigte ich dieser Tage einen Motorlaubbläser. Das ist nicht ökologisch, ich weiß, doch auch ich würde ungerne das große Gelände per Hand harken … Von Veit Hoffmann

Von Veit Hoffmann

Wir spüren es: Der Herbst ist im Anmarsch. Der Sommer weicht, die Tage werden kürzer. Die Dunkelheit vertreibt das Licht. Schon tauchen die ersten Tipps für Pilzfreunde auf. Unserem Hausmeister genehmigte ich dieser Tage einen Motorlaubbläser. Das ist nicht ökologisch, ich weiß, doch auch ich würde ungerne das große Gelände per Hand harken. In Seniorenkreisen wird demnächst Möricke zitiert werden: Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los.

Ich räumte am Wochenende den Gartenschuppen auf und fuhr anschließend zur Müllabfuhr. Dort beobachtete ich zufriedene Gesichter. Wegwerfen hat etwas Reinigendes. Ein Mann hievte eine zerlegte Schrankwand in den Holzcontainer und stieg anschließend mit heiterem Gesicht ins Auto.

Es wäre schön, dachte ich, wenn man auch seelische Lasten derartig entsorgen könnte. Den inneren Kramladen voller trüber Erinnerungen, die Sorgen, die einem nachts auf der Brust liegen und tags im Nacken sitzen. Oft sind sie in unser Leben eingebrochen wie ein Eisbrecher in stille arktische Gebiete. Plötzlich waren sie da: Verlust der Arbeit, Krankheit, Trennungen, Trauer … die Bandbreite der Sorgen ist groß. Da erscheint uns dann die Kindheit wie ein Traum. Da war vieles noch so spielerisch, so unschuldig, so einfach. Doch machen wir uns nichts vor: Nicht zurückblicken – das gelingt niemandem von uns.

Das gelang auch dem Apostel Paulus nicht. Seine Vergangenheit nagte an ihm. Er versuchte zu vergessen, nicht am Schürzenzipfel der Vergangenheit zu ziehen. Doch es gibt kaum einen Brief von ihm, in dem er nicht von früher spricht. Seine Erinnerungen holten ihn immer wieder ein- kinoreife Albträume: Mit jugendlichem Elan war er einst losgestürmt, um Christen zu verfolgen. Er war sich sicher in dem, was er zu tun hatte. Er fühlte sich als Verteidiger des wahren Glaubens. Blut floss. Die Verzweiflung und Tränen der anderen nahm er in Kauf. Er hatte alles im Griff. Wohl auch die dazugehörigen Gefühle. Er wird sie im Kopf jongliert haben. 5 Gramm dahin, 6 Gramm dahin. Und dann kam die Katastrophe vor Damaskus. Das völlige Aus. Der stolze Mann stürzt, erblindet, kann nicht mehr essen und trinken. Eine Katastrophe sondergleichen. Betäubt von seelischer Erschütterung und zugleich auch ein öffentliches Scheitern. Das Ende seiner Karriere.

Und doch ein Anfang! Gerade dieses große Scheitern: ein Anfang. Die entscheidende Wende in seinem Leben. Das Unglück von heute als Glück von morgen. Erst jetzt fängt er an zu suchen. Erst jetzt stellt er die richtigen Fragen. Erst jetzt lässt er sich helfen.

Das Erlebnis war nicht schön. Es hat ihn umgeworfen. Er konnte nicht mehr weiter. Eine ihm unbekannte Hand hatte den Schlussstrich gezogen. Aber es hat dem Apostel die Augen geöffnet, hat ihn entschlossen gemacht. Paulus wird fähig, neu zu beginnen. Jetzt erst weiß er: Gott selber zeigt mir den Weg.

Was auch immer Sie bedrückt: Vergessen Sie bitte nicht, dass die Kirche aus der Vergebung von Schuld lebt. Schuldige Menschen wurden zu den wichtigsten Mitarbeitern Gottes: Denken Sie an König David, den Ehebrechen, an den Mörder und Christenverfolger Saulus, der zum Apostel Paulus wurde, an Petrus, der Jesus verleugnete und der dennoch zum wichtigen Fundament gehört.

Nein, wir können die dunklen Seiten unseres Lebens nicht beseitigen, sie nicht wegspülen wie schmutziges Spülwasser. Das Gewissen ist ein Reinheitsgebot. Unaufhörlich pocht der Staatsanwalt in dir, las ich einmal. Tauschen Sie ihn gegen Gott aus. Er ist nicht so moralisch wie der Staatsanwalt.