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Der Friedensbeauftragte des Papstes betritt Neuland

Ein Kardinal aus Rom im Auftrag des Papstes in Peking, das ist Neuland. Zu schwierig sind die Beziehungen zwischen der Volksrepublik und dem Vatikan. Doch der Krieg in der Ukraine ändert vieles.

Die Erleichterung im Vatikan war mit Händen zu greifen. “Nach Monaten des Abwartens und der Spekulationen in Rom und in Peking kommt nun die Bestätigung: Die Friedensmission von Kardinal Zuppi, die der Papst als Friedensoffensive bezeichnet hat, geht in China weiter”, so die beinahe euphorische Meldung im offiziellen Portal VaticanNews am Dienstagnachmittag. Wenige Minuten zuvor hatte der Heilige Stuhl in einer gewohnt kurzen Mitteilung bekanntgegeben, dass Kardinal Matteo Zuppi im Auftrag von Papst Franziskus vom 13. bis 15. September in Peking sein werde. Er reise in Begleitung eines Mitarbeiters des vatikanischen Staatssekretariats.

“Diese Reise ist eine weitere Etappe in der vom Papst gewollten Mission, um humanitäre Initiativen zu unterstützen und Wege zu suchen, die zu einem gerechten Frieden führen können”, so das Zwei-Satz-Kommunique abschließend.

In den Tagen zuvor hatten Zuppi und der italienische Außenminister Antonio Tajani die Bühne des internationalen Weltfriedenstreffens der Gemeinschaft Sant’Egidio in Berlin genutzt, um für die Friedensvision von Papst Franziskus zu werben. Obwohl die sich immer wieder normalen diplomatischen und außenpolitischen Gepflogenheiten entzieht, hat der italienische Außenminister betont, dass er die Linie des Papstes moralisch, aber auch praktisch unterstütze.

Aus seinem Umfeld sickerte dann auch in Berlin (und zeitgleich in Rom in dem kleinen Internetportal Linkiesta) die zunächst unbestätigte Nachricht durch: Der Vatikan hat von Peking das lang erwartete Placet für eine Reise des päpstlichen Friedensbeauftragten Zuppi nach China erhalten.

Bei der wohl schwierigsten Etappe der seit gut drei Monaten andauernden Friedensmission des Kardinals könnte sich die Intuition des Papstes bewähren, jenseits der eingefahrenen Wege der offiziellen Diplomatie neue Kanäle der Kommunikation zu suchen. Da es offizielle diplomatische Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan nicht gibt, war von Anfang an klar, dass ein “Sonderbeauftragter” des Papstes im Reich der Mitte am ehesten eine Chance haben würde.

Sekundiert wurden die wochenlangen Bemühungen Zuppis durch eine Charme-Offensive des Papstes in Richtung China im Umfeld seiner Mongolei-Reise Anfang des Monats. Hilfreich waren aber auch eine deutliche Zurückhaltung des Vatikans angesichts der knallharten chinesischen Religionspolitik – und schließlich wohl auch die Bemühungen von Tajani.

Dieser war etwa zeitgleich mit der Mongoleireise des Papstes in Peking und musste dort das Kunststück vollbringen, den Chinesen den Ausstieg Italiens aus dem Seidenstraßen-Projekt zu verkaufen und gleichzeitig die “special relationship” zwischen Italien und der Volksrepublik zu erhalten und neu zu gestalten. Ob dabei die nach langem Zögern endlich erteilte Zustimmung der Chinesen zur Zuppi-Mission Teil eines größeren Pakets Rom-Peking-Vatikan war, wird wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erfahren sein.

Ebenso ungewiss war zu Beginn der Reise des Kardinals, wen er in Peking überhaupt treffen könnte, und was das Thema sein sollte. Denn offiziell ist China in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine gar nicht involviert. Es ist auch in einer anderen Position als die USA und die Nato-Staaten, die mit Waffenlieferungen an die Ukraine und klaren Solidaritätsbekundungen für Kiew schon immer irgendwie mit am Tisch sitzen.

In Kiew und in Moskau konnte Zuppi mit politischen und kirchlichen Gesprächspartnern über sehr konkrete Fragen sprechen – vom Gefangenenaustausch über die Getreidelieferungen bis zur Rückführung der nach Russland verschleppten ukrainischen Kinder. Welche Rolle Peking bei der Lösung humanitärer Fragen in dem Krieg spielen kann, war zunächst völlig offen.

Unabhängig von Sachfragen und möglichen Ergebnissen ist es schon jetzt bemerkenswert, dass der Vatikan und Peking sich überhaupt zu einer derartigen Gesprächsebene gefunden haben. Für die Überwindung der seit Gründung der Volksrepublik China bestehenden diplomatischen Blockade zwischen beiden Seiten könnte der Besuch Zuppis eine ähnliche Bedeutung bekommen wie sie im Jahr 1971 der China-Besuch des amerikanischen Außenpolitikers Henry Kissinger hatte.