Julia Milazzo und Franka Wernet haben schon etwas geleistet. Rund eine Stunde hat es gedauert, bis sie angezogen waren: die Frisur, der Haarschmuck, Kappe, Strumpfhosen, Spitzenschleier, Rock und Mieder. Es ist ein filigranes Gesamtkunstwerk, das die beiden Konfirmandinnen an jenem kalten Schwarzwälder Morgen tragen, mit dem roten Bollenhut als krönendem Abschluss. „Ganz schön schwer“, sagen sie, denn der Strohhut mit den Wollknäueln und seinem zementierten Untergrund wiegt 1,5 Kilo.
Der Hut wurde zum internationalen Symbol
Der Schwarzwälder Bollenhut ist eine der bekanntesten Kopfbedeckungen der Welt. Von Tokio bis Singapur, von Kapstadt bis New York ist er unterwegs, um im Ausland Werbung für Deutschland zu machen. Von all den vielen Trachten im Schwarzwald hat nur er es geschafft, zum internationalen Symbol zu werden.
Umso erstaunlicher, dass es sich dabei tatsächlich nur um die lokale Tracht dreier Gemeinden im Kinzigtal handelt: Guttach, Reichenbach und Kirnbach. Ausgerechnet sie haben, inmitten einer tiefkatholischen Umgebung, eine evangelische Tradition: Durch einen Gebietstausch gerieten die einst württembergischen Orte 1810 nach Baden, wo sie nun eine evangelische Insel inmitten des Großherzogtums bildeten.
Auch den Bollenhut bekamen sie noch von den Württembergern mit auf den Weg: Es war Herzog Friedrich Eugen, der in einem Brief 1797 die Fertigung von Strohhüten mit roten und schwarzen Kreisen anordnete. Die Hutmacherei sollte die Not lindern und die verzierten Hauben die Trachtenmode beleben.
An diesem Morgen im März 2016 setzt sich der kleine Trachtenumzug vor dem Kirnbacher Pfarrhaus in Bewegung. Er wird angeführt von der Trachtenkapelle. Neben den roten Bollenhut-Trägerinnen gibt es Frauen mit schwarzen Bollenhüten. Der schwarze Bollenhut ist die Tracht der Verheirateten. Er hat es nicht annähernd zu einer Berühmtheit gebracht wie sein farbenfrohes Pendant.