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Der blau-gelbe Treffpunkt mitten in Neustadt

Außerhalb ihrer Bleibe sind Geflüchtete fast überall Fremde, der “blau-gelbe Treffpunkt” in Neustadt bei Hannover soll das ändern. Hier können sich Flüchtlinge auch einfach mal ausruhen.

Auf der Terrasse – mitten in einem Wohngebiet – können Kinder und Erwachsene entspannen
Auf der Terrasse – mitten in einem Wohngebiet – können Kinder und Erwachsene entspannenNancy Heusel / epd

Neustadt am Rübenberge. Auf der Terrasse eines evangelischen Pfarrhauses, inmitten von beschaulichem Grün, hört Svitlana Kryzhanivska konzentriert zu, um zu dolmetschen. Neben der 55-Jährigen sitzt ein Ehepaar, das rechtzeitig aus Cherson fliehen konnte, bevor die Russen die Stadt eroberten. Kryzhanivska verließ ihre westukrainische Heimatstadt Iwano-Frankiwsk ebenfalls. Schon am ersten Tag des Kriegs fielen dort Bomben auf einen nahen Militärflughafen. Noch im Februar hätte sich Kryzhanivska nicht träumen lassen, dass sie aufgrund ihrer Deutschkenntnisse aus der Schule in Niedersachsen einmal als Sprachmittlerin gefragt sein würde. Auch heute ist sie zum blau-gelben Treffpunkt gekommen, um zwischen Russisch, Ukrainisch und Deutsch zu übersetzen.

Die Westukrainerin ist eine von hunderten Geflüchteten, die sich derzeit in Neustadt aufhalten. 260 waren nach Auskunft der Kommune Ende März in der Stadt registriert. Für sie hat der Kirchenkreis in kurzer Zeit die blau-gelbe Begegnungsstätte in der leerstehenden Superintendentur von Neustadt eingerichtet. Der Treffpunkt in einer ruhigen Wohngegend ist vor etwa zwei Wochen eröffnet worden. „Es geht darum, sich nicht aus den Augen zu verlieren, gemeinsam auszuruhen und Zeit miteinander zu verbringen“, erläutert die Sozialarbeiterin des Kirchenkreises, Janet Breier, die das Angebot leitet. In der zweiten Woche hätten rund hundert Menschen das Angebot genutzt.

Millionen-Hilfe von Landeskirche

Die Anlaufstelle in Neustadt ist nach Burgdorf der zweite Treffpunkt, den der Diakonieverband Hannover-Land gemeinsam mit den Kirchenkreisen auf ins Leben gerufen hat. Unterstützt werden sie von der evangelischen Landeskirche Hannovers. Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat den Treffpunkt in Neustadt schon besucht und bekanntgegeben, dass die Landeskirche für solche und ähnliche kirchliche Flüchtlingshilfe-Projekte 2,5 Millionen Euro für 2022 bereitstelle.

Im Kern gehe es darum, den Flüchtlingen wieder etwas Normalität zu ermöglichen, sagt Breier. Zum Angebot in Neustadt gehören unter anderem Spielecken, Küche, Waschmaschine, Rückzugs-Raum, Laptops und ein großer Garten. Wer will, kann auch die Sozialberatung oder die Schwangerenberatung von Diakonie-Mitarbeitern in Anspruch nehmen. Pastoren stehen zudem als Seelsorger bereit. „Wichtig für die Gespräche ist auch die Möglichkeit der Kinderbetreuung“, betont Breier. Auch Sprachlern-Angebote sind geplant. Das große Team von Ehrenamtlichen sammelt und verteilt zudem Kleider- und andere Sachspenden.

Bei ihrer Arbeit können die Mitarbeiter auf den Erfahrungen der Flüchtlingskrise 2015 aufbauen. „Anders als 2015 möchten die meisten wieder so schnell wie möglich zurück nach Hause“, sagt Breier. Zudem sei die Hilfsbereitschaft unter den Deutschen diesmal noch größer. „Ich erkläre mir das so, dass die Ukraine dichter an uns dran ist.“


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Kryzhanivska hatte das Glück, in Neustadt bei Bekannten von Freunden unterzukommen. Dort sei sie zufrieden, sagt sie. So gehe es jedoch nicht allen. „Teppiche, Möbel, Schuhe, solche elementaren Dinge fehlen oft“, erzählt Kryzhanivska. Auch solche Dinge versuchen Breier und ihr Team für die Besucher des Treffpunkts zu organisieren. „Ich habe von einer achtköpfigen Familie gehört, in der die Mutter immer zweimal kochen muss, weil der Topf zu klein ist“, sagt Kryzhanivska.

In Ruhe eine Tasse Kaffee trinken  auch das geht im blau-gelben Treffpunkt
In Ruhe eine Tasse Kaffee trinken auch das geht im blau-gelben TreffpunktNancy Heusel / epd

Trotz des Krieges wäre Kryzhanivska lieber in Iwano-Frankiwsk geblieben. Als sie abreiste, lebten ihre zwei Söhne, die Schwiegertöchter und die kleine Enkelin noch in Kiew, außerdem die krebskranke Schwester. Die Familie habe sich kurz nach Kriegsbeginn zusammengesetzt und das gemeinsame Vorgehen besprochen. Weil Kryzhanivska fließend Deutsch spricht, sollte sie als erste nach Deutschland gehen. „Wenn sich die Lage verschlimmert, kommen meine Verwandten nach. Zum Glück sind sie jetzt erstmal in Iwano-Frankiwsk. Dort ist es ruhiger.“

Kryzhanivska ist froh, dass sie in Neustadt ihren Landsleuten als Übersetzerin helfen kann. „Wenn ich beschäftigt bin, ist mein Leben leichter. Unsere Frauen sind hochmotiviert und möchten alle arbeiten. Sie möchte nicht warten und rumsitzen bis der Krieg zu Ende ist“, betont sie und begrüßt kurz darauf schon wieder neue Besucher. (epd)