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Den Blick schärfen für Vielfalt

Besondere Trainings sollen Kursteilnehmern helfen, andere Kulturen besser zu verstehen. Die Auseinandersetzung mit sich selbst gehört dazu

Interkulturelle Kompetenz – das ist mehr als ein freundlicher Händedruck. Es ist eine Haltung. Diakonie-RWL-Referentin Ioanna Zacharaki vermittelt in ihren Kursen die Grundlagen für eine gute Verständigung zwischen Kulturen und Religionen. Das tut sie auch jetzt wieder anlässlich der „Interkulturellen Woche“. Sie beginnt am 24. September und steht diesmal unter dem Motto „Vielfalt verbindet“. Mit ihr sprach Sabine Damaschke.

Viele Fachkräfte der Integrationsagenturen bieten Interkulturelle Trainings an. Aber auch in Volkshochschulkursen oder Coaching-Agenturen kann ich „Interkulturelle Kompetenz“ lernen. Was genau lerne ich in den Kursen eigentlich?
Es ist tatsächlich modern geworden, für die Auslandsreise bis hin zur beruflichen Begegnung mit ausländischen Geschäftskollegen unter dem Stichwort „Interkulturelle Kompetenz“ eine  Art „Benimm-Kurs“ anzubieten. Doch bei der Diakonie verstehen wir darunter sehr viel mehr, als den Teilnehmern gute Manieren für die unterschiedliche Essenkultur in Asien, Afrika und Nordeuropa beizubringen. In unseren Kursen geht es viel um das eigene Verhalten gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen. Die Teilnehmer sollen sich für Kritik öffnen, ihre eigenen Werte relativieren und die so entdeckten kulturellen Differenzen als einen Anreiz für einen Perspektivwechsel nutzen, aus dem dann ein Dialog möglich wird.
In den Kursen möchte ich die Teilnehmer zu einem sensibleren Umgang mit anderen Menschen ermutigen. Denn das ist die Grundlage für interkulturelle Kompetenz: Menschlichkeit. Die Teilnehmer sollen lernen, hinter die Etiketten „Syrer“, „Muslime“ oder „Grieche“ zu schauen.

Das klingt sehr anspruchsvoll.
Das ist es auch, denn es setzt voraus, dass die Kursteilnehmer bereit sind, sich intensiv mit sich selbst und ihrem Umgang mit Vielfalt auseinanderzusetzen. Wie gehe ich damit um, wenn jemand nicht pünktlich kommt? Und welche Rolle spielt Pünktlichkeit in anderen Kulturen, etwa der afrikanischen? Was bedeutet mir meine Familie und Religion? Und wie reagiere ich darauf, wenn dies in anderen Kulturen als wertvoller gilt als Selbstständigkeit und Freiheit? All das sind Fragen, über die wir in den Kursen anhand konkreter Rollenspiele diskutieren. Das geht tief, macht aber auch Spaß, denn es bringt viele „Aha-Erlebnisse“ hervor.
Die Nachfrage nach den Kursen, die wir hier in der Diakonie RWL entwickelt haben, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Wir schulen mittlerweile ganze Abteilungen Dia­konischer Werke.

Aber sind nicht zunächst mal diejenigen, die zuwandern, in der Pflicht, Werte, Kultur und Religion des Landes kennenzulernen, in das sie zugewandert sind?
Beide Gruppen, Zugewanderte und Einheimische, sollten aufeinander zugehen. Es geht um ein Kennenlernen und einen wertschätzenden, respektvollen Umgang miteinander. Gerade die einseitige Erwartungshaltung, sich den Einheimischen anzupassen, führt bei Migranten häufig zu einem Rückzug in die eigene ethnische Gruppe. Dagegen fördert Wertschätzung die Begegnung und hilft dabei, Vorurteile und Etiketten zu vermeiden.
Wie soll ein friedliches Zusammenleben funktionieren, wenn wir nicht genau hinsehen, wer die Menschen sind, die bei uns Zuflucht suchen und was sie mitbringen? Darüber müssen wir miteinander ins Gespräch kommen.