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Das Wunder des Lebens begreifen

Techno trifft Natur: Dominik Eulbergs ungewöhnliches Öko-Engagement

Speyer (epd). Töne, die wie ein Blubbern klingen. Sie werden immer dominanter, münden schließlich in ein Stakkato, das abbricht und wieder von Neuem beginnt. Was Techno-DJ Dominik Eulberg den rund 200 Besucherinnen und Besuchern an diesem Abend im Historischen Museum der Pfalz in Speyer serviert, sind tierische Laute, die für den Menschen sonst unhörbar sind: Sie stammen von Fledermäusen –
musikalisch auf Synthesizer übertragen.

   Eulberg will die Menschen zum Staunen bringen, dem Artenschutz zuliebe. «Wir schützen nur, was wir schätzen», mit diesem Ansatz versucht der 43-jährige Musiker, Autor und Biologe seit vielen Jahren, die Einzigartigkeit der Natur greifbar zu machen.
Alarmistische Nachrichten über das Artensterben gebe es genug, sagt er. «Das lässt abstumpfen, abschalten.» Eulberg will mit etwas Positivem dagegenhalten.

   Seit seiner Kindheit fühlt er sich in der Natur zu Hause. Geboren in Westerburg im Westerwald, wächst er umgeben von Wäldern und Seen auf, ohne Fernseher. Sein Vater, ein Biologielehrer, bringt ihm stattdessen die Tiere nahe. Eulberg nimmt Vogelstimmen auf, richtet sich in seinem Kinderzimmer ein Studio ein und verfremdet das Zwitschern mit Synthesizern. «Öko-Techno» nennt das die Szene-Zeitschrift «Groove».

   In Bonn studiert er Biologie und Ökologie mit dem Schwerpunkt Naturschutz, geht für ein Forschungsprojekt an die Müritz. Als das Geld dafür eingestellt wird, entscheidet sich Eulberg, in einer selbst gebauten Hütte zu bleiben. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser. Das Erlebnis sei unbeschreiblich gewesen, sagt der Mann mit den kinnlangen blonden Haaren. «Ich habe gemerkt, dass die Natur ein kostengünstiger Weg ist, das Glück zu finden.»

   Der Musiker und Biologe lebt gern beide Leidenschaften. Im Historischen Museum der Pfalz in Speyer hat er für die Familienausstellung «Expedition Erde» (bis 19. Juni) das Sounddesign entworfen. Mit Schmatzgeräuschen, Steinen und Wasser komponierte er beispielsweise Regenwurmgeräusche. In seinen «Wunderfakten» lesen Besucher der Ausstellung, dass Mauersegler selbst den Schlaf fliegend verbringen und Maulwürfe in einer Stunde bis zu sieben Meter Tunnel graben können.

   «Wir müssen die Menschen lustvoll erreichen, mit allen Sinnen», davon ist Eulberg überzeugt. Wohl auch deshalb gehören zu seinen Musikstücken aufwendig gestaltete Videos. «Jedes Lebewesen ist ein Individuum, ein anmutiges und schützenswürdiges Zeugnis des Seins. Ekel und Abstoßung sind nur Ausdruck einer verrückten Blickweise», diese Worte stellt er dem Video «Eintagsfliege» voran, das er gemeinsam mit Thorben Danke produzierte. Es ist ein «ausgezeichneter Beitrag der UN-Dekade Biologische Vielfalt». 35.088 Makrofotos von Danke bringen Insekten auf Augenhöhe mit ihren Betrachtern: Der Mensch als Teil, nicht als Krone der Schöpfung.

   «Ich bin froh, dass ich mit christlichen Grundwerten erzogen worden bin», sagt Eulberg. Als Kind war er Messdiener, wuchs in einem katholischen Elternhaus «mit der Nächstenliebe und den zehn Geboten» auf, wie er erzählt. Auch wenn er kein Kirchgänger sei, merke er doch: «Es gibt auf jeden Fall etwas, was dahintersteht hinter allem.» Dies lehre ihn auch die Wissenschaft.

   Zuerst einmal entzaubere Wissen das kindliche Staunen. «Doch je mehr man forscht, desto mehr merkt man, dass man gar nichts versteht», sagt Eulberg. Als Beispiel nennt er das Geheimnis der Metamorphose einer Raupe, das letzlich ungelöst sei.

   Eulberg versucht, dieses Staunen zurückzuholen bei seinen Auftritten als DJ, die er gerne mit Vorträgen und Exkursionen verbindet. Dabei sind Naturerlebnis und Naturschutz auch immer eine Gratwanderung, weiß er. In der Corona-Hochphase seien etliche Leute rausgegangen zum Wandern oder Pilze sammeln. «Die sind dann auch in sensible Gebiete reingelatscht.»

   In seinem Buch «Mikroorgasmen überall» – von «Bild der Wissenschaft» zuletzt zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2021 in der Kategorie Unterhaltung prämiert – erzählt er von den kleinen und großen Wundern der Natur. Und warnt, die Menschheit sei gerade dabei, sich selbst abzuschaffen. Denn Eulbergs Einsatz für Natur und
Artenschutz ist auch politisch. Auf seinem Facebook-Profil wirbt er für die Idee des «Gemeinwohlprodukts»: Nicht der Wert der umgesetzten Waren sollte den Zustand der Wirtschaft bemessen, sondern ob sie nachhaltig seien oder dem Menschen langfristig schadeten.

   Trotz der Corona-Pause als DJ scheint ihm nicht langweilig zu werden: Zwei neue Spiele hat Eulberg zuletzt entwickelt. Für den «Arte»-Film «Wilde Bienen» hat er die Musik komponiert. Jetzt sitzt er an einem neuen Buch in Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde in Berlin. Dass er einmal beim Evangelischen Kirchentag auftritt, will Eulberg nicht ausschließen. Denn immer neue Wege zu suchen, um die Menschen für die Natur einzunehmen, darum geht es ihm.