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Das Stichwort: Neutralitätspflicht

Staatliche Beamte und politische Amtsträger in der Bundesrepublik müssen bei ihrer Amtsführung grundsätzlich parteipolitische Neutralität wahren. Einseitige Äußerungen zuungunsten politischer Gegner sind unzulässig, weil sie gegen die aus dem Grundgesetz (Artikel 21) abgeleitete Chancengleichheit der Parteien verstoßen. Daraus folgt auch, dass beispielsweise die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen nicht genutzt werden darf, um Äußerungen zulasten einzelner politischer Parteien zu verbreiten.

In der Vergangenheit waren Verstöße gegen die Neutralitätspflicht politischer Amtsträger wiederholt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. In einer Reihe Aufsehen erregender Fälle gelang es etwa der AfD, dass negative Äußerungen über die Partei als unrechtmäßig beanstandet wurden. So urteilte das Bundesverfassungsgericht 2022, dass Aussagen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen einen Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien dargestellt hätten. Merkel hatte die Wahl des von der FDP nominierten Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD als „unverzeihlichen“ Vorgang bezeichnet.

Bereits 2018 hatte ebenfalls das Bundesverfassungsgericht die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) dafür gerügt, dass auf der Internetseite des Ministeriums eine Pressemeldung mit der Überschrift „Rote Karte für die AfD“ veröffentlicht worden war. Dem früheren Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wurde vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel untersagt, in seiner amtlichen Funktion dazu aufzurufen, die AfD von Veranstaltungen auszuladen.

Verschiedentlich blieben Klagen auch erfolglos, zumeist in Fällen, in denen Gerichte feststellten, dass Politikeräußerungen nicht im Zusammenhang mit einem öffentlichen Amt, sondern beispielsweise auf Parteiveranstaltungen gefallen waren. So wurde ein Wahlkampfauftritt der früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Trier nicht beanstandet, auf dem sie gefordert hatte, ein Wiedereinzug der rechtsextremen NPD in das Kommunalparlament ihrer Heimatstadt müsse unbedingt verhindert werden.