Als der Missbrauchsskandal 2010 öffentlich wurde, wurde sexualisierte Gewalt durch Kirchenleute in der Öffentlichkeit vor allem als katholisches Thema betrachtet. So rückte die katholische Deutsche Bischofskonferenz in den Fokus der medialen Berichterstattung. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) behandelte Missbrauch in den eigenen Reihen erst ab 2018 systematisch.
Auf der EKD-Synode 2018 in Würzburg stellte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs einen Elf-Punkte-Plan vor. Neben einer wissenschaftlichen Aufarbeitung von Missbrauch in Form einer Studie enthielt er auch die Maßgabe, Betroffene an der Aufarbeitung zu beteiligen. Ein weiterer Punkt war die engere Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Aktuell wird das Amt von Kerstin Claus ausgeübt, die selbst Missbrauchserfahrungen in der evangelischen Kirche machte.
Heute werden die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und das Thema Prävention für die EKD und die Diakonie zentral im sogenannten Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo) behandelt. Die 17 Mitglieder, 9 Kirchenvertreter und 8 Betroffene, entscheiden alles gemeinsam. In mehreren Untergruppen werden Beschlussvorschläge erarbeitet. Für die Abstimmung im Forum ist eine Mehrheit sowohl der EKD-Beauftragten als auch der Betroffenen nötig.
Das BeFo gibt es seit April 2022. Zuvor war die Struktur aus einem Beauftragtenrat, in dem die Vertreter der EKD saßen, und einem Betroffenenbeirat gescheitert. Nach internen Streitigkeiten wurde im Mai 2021 der Betroffenenbeirat erst ausgesetzt und später ganz aufgelöst.
Im Dezember wurde nach katholischem Vorbild eine Vereinbarung über Standards bei der Aufarbeitung mit der Unabhängigen Beauftragten unterzeichnet. Die sogenannte Gemeinsame Erklärung kam nach mehrjährigen Verhandlungen zustande. Sie zogen sich unter anderem in die Länge, weil EKD und Diakonie keine verbindlichen Entscheidungen für die eigenständigen 20 Landeskirchen und 17 Diakonie-Landesverbände treffen können. Sie sind zuständig für die Aufarbeitung in ihrem Bereich. Für die katholische Kirche gibt es eine solche Erklärung seit 2020.