Die Fernsehaufnahmen zeigen chaotische Zustände: Hunderte Menschen drängen sich auf der Brücke „Paso del Norte“, die das mexikanische Ciudad Juarez mit der US-Stadt El Paso verbindet. Männer, Frauen und Kinder versuchen, durch die Kontrollstelle zu kommen, während US-Grenzbeamte zusätzliche Barrieren errichten.
Die Szenen vom vergangenen Wochenende belegen wieder einmal: Für viele Menschen in Mittel- und Südamerika sind die USA ein Ort der Hoffnung, weg von Gewalt und Armut. Nach Regierungsangaben haben Grenzschützer im Haushaltsjahr 2022 rund 2,8 Millionen Mal Migranten und Flüchtlinge an der Grenze gestoppt, beinahe eine Million mehr als 2021. Es kämen zunehmend Menschen aus Venezuela, Kuba und Nicaragua, heißt es.
Im Kontrast zu Donald Trump
Unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2021 hatte der neue Präsident Joe Biden eine Einwanderungs- und Asylpolitik der „Mitmenschlichkeit und amerikanischen Werte“ versprochen. Sie sollte in scharfem Kontrast zu der Grenzmauer seines republikanischen Vorgängers Donald Trump stehen. Zwei Jahre später befürchten Menschenrechtler und manche Politiker aus Bidens Demokratischer Partei, dass angesichts harter Realitäten den schönen Worten nur wenige schöne Taten folgen. Der demokratische Senator und Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, Robert Menendez, warnte am Wochenende, Biden könne letztendlich als der „Chef-Asylablehner“ dastehen.
Im Mittelpunkt steht aktuell eine vorgeschlagene Reformmaßnahme, der zufolge Asylanträge nur noch außerhalb der USA gestellt werden können. Fliehende könnten damit nicht an die Südgrenze der USA kommen und Asyl beantragen. Eine App des Heimatschutzministeriums, zum Gebrauch vor Ankunft, solle den Prozess erleichtern, heißt es. Die Regierung hat das Modell Ende Februar vorgestellt. Interessierte Personen und Verbände haben nun bis zum 27. März Zeit, Einwände vorzulegen. Hilfsverbände wurden bereits deutlich in ihrer Kritik: Das Vorhaben komme einem „Asylverbot“ für viele Antragsteller gleich, klagte etwa der lutherische Hilfsverband LIRS.
Kritik an Biden eskalierte nach Medienberichten und Gerüchten in den vergangenen Tagen, die Regierung wolle illegal eingereiste Migrantenfamilien „notfalls“ kurzfristig inhaftieren. Im Wahlkampf gegen Trump hatte Biden das Einsperren von Kindern scharf kritisiert, nach Amtsantritt hatte er die Familieninhaftierung eingestellt. Jetzt hat Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas im Sender CNN bestätigt, dass Inhaftierung in Erwägung gezogen werde. Eine Entscheidung gebe es noch nicht.
Das Thema Grenzschutz und illegale Einwanderung ist politischer Konfliktstoff ohnegleichen in den USA. Republikanische Politiker warnen vor einem unkontrollierten Zustrom. Der republikanische Senator John Cornyn hat Biden vorgeworfen, er sei an der Zunahme „illegaler Immigration“ schuld, weil seine Haltung den Eindruck fördere, man könne auf diese Weise ins Land kommen.
Schwieriger Stichtag
Biden steht vor einem schwierigen Stichtag: Am 11. Mai hebt seine Regierung angesichts zurückgehender Infektionszahlen den nationalen Covid-Notstand auf. Damit endet auch eine als „Title 42“ bekannte Maßnahme. Seit Beginn der Pandemie im März 2020 hatte der Grenzschutz aus Gründen der „öffentlichen Gesundheit“ zahlreiche Asylsuchende und Migranten pauschal zurückgewiesen. Nach Angaben von LIRS gab es unter Title 42 mehr als 2,4 Millionen Abweisungen. Fällt die Vorschrift nun weg, befürchtet die Regierung einen starken Andrang an der Grenze – und will offenbar vorbauen.