So etwas funktioniert bei Pater Abraham fast schon auf Knopfdruck. Als ihn im Sommer 2015 der Anruf von der Deutschen Bischofskonferenz erreichte, da entstanden im Kopf bereits spontan die ersten Entwürfe. Etwas Besonderes sollte es werden. Etwas, das bei einem gemeinsamen Gottesdienst von Evangelischer und Katholischer Kirche zum Reformationsjubiläum mit einer großen Symbolkraft überzeugt und die Trennung beider Kirchen ebenso darstellt wie das Versöhnende.
Ein Symbol für den gemeinsamen Weg
„Das konnte nur ein Kreuz sein“, war dem Leiter der Kloster-Schmiede von Beginn an klar. Aber natürlich nicht irgendein Kreuz. Es sollte vielmehr ein Kreuz sein, das die große Zerrissenheit, die Wunden, die sich beide Kirchen in den vergangenen Jahrhunderten zugefügt haben, ebenso darstellt wie den Willen zur gegenseitigen Vergebung: Ein Kreuz, das Mut macht und als ein Symbol für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft steht.
„Keine leichte, aber eine äußerst reizvolle Aufgabe“, schmunzelt Pater Abraham beim Rückblick auf die vergangenen Monate, in denen das Kreuz buchstäblich stählerne Gestalt angenommen hat – von den ersten Entwürfen am PC zur praktischen Arbeit mit Flex, Metallsäge, Fräse, Stahlbohrer und Schweißbrenner in der Werkstatt auf dem Klosterberg in Meschede.
Entstanden ist ein Werk von einer beeindruckenden Symbolik. Ein Werk, das den Betrachter auffordert, sich mit ihm auseinanderzusetzen.Das Kreuz, das an seinen Längsachsen 2,40 Meter misst und insgesamt 250 Kilo schwer ist, ist dreidimensional angelegt. Pater Abraham: „Es war mir wichtig, dass die Zeichenhaftigkeit des Objektes für möglichst viele Menschen deutlich und interpretierbar wird.“
So steht der gerostete Stahl bewusst auch für die dunkle Seite der Reformation; für die Trennung beider Kirchen, aber ebenso auch für den Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft. „Es hat ja in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten verschiedene Versuche der Annäherung gegeben. Aber irgendwie ist das dann doch wieder eingeschlafen. Seit einiger Zeit herrscht in dieser Beziehung auch dank Papst Franziskus wieder so etwas wie Frühlingswetter in Rom“, hofft der Metall-Künstler aus Meschede, dass das Reformationsjubiläum dem Gedanken der Ökumene einen neuen, kräftigen Schub verleihen möge.
Zu Beginn des zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes, den EKD-Ratsvorsitzender Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm und Erzbischof Reinhard Marx am 11. März in der St. Michaelis-Kirche in Hildesheim gemeinsam feiern werden, wird das Kreuz noch auf dem Boden liegen und damit wie eine Barrikade trotz des gemeinsamen Glaubens die Trennung und die Hindernisse symbolisieren.
In dem gemeinsamen Wort „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“, das der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz im September 2016 vorgelegt haben, heißt es dazu: „Dieses Kreuz liegt zu Beginn des Gottesdienstes als eine Art Sperre in der Kirche und kann so Zeichen dafür sein, dass Christen in der Vergangenheit das Kreuz häufig als Symbol der Abgrenzung missbraucht haben und zu wissen meinten, wer Christus in rechter Weise nachfolgt und wer nicht. So bezeichnet das liegende Kreuz die Trennung, unter der wir bis heute leiden.“
Pater Abraham geht in seiner Interpretation sogar noch einen Schritt weiter: „Solche Kreuze werden zu schwer bewegbaren Hindernissen. Als Christen müssen wir uns fragen, wann wir das Kreuz, den Glauben, die Theologie zu Wegen bereitet haben, wann wir der Versuchung erlagen, die Botschaft als Grenze und Sperre zu missbrauchen.“