Der Blick wird gebannt durch eine saalhoch vergrößerte Fotografie eines Toten, nein, eines tätowierten Mannes. Die scheinbare Leiche zeigt den kanadischen Performer Rick Genest, der als „Zombie Boy“ sich den ganzen Körper als Skelett hat tätowieren lassen. Bekannt wurde Genest in dem Musikvideo von Lady Gaga „Born this way“, als Model arbeitete er für den Modeschöpfer Thierry Mugler. Wo die Grenze liegt zwischen Schönheit und Ekel und welche Anziehungskraft der Schrecken hat, diesen Fragen geht die Ausstellung „Tod und Teufel“ im Hessischen Landesmuseum Darmstadt nach. Die zusammen mit dem Kunstpalast Düsseldorf konzipierte Schau ist vom 1. März bis 2. Juni geöffnet.
Der Horror habe in der Kunstgeschichte eher einen schlechten Ruf, erläutert die Kuratorin Westrey Page. Darstellungen von Tod und Teufel stellten das Böse dar, das das Leben bedroht. Stiche von Albrecht Dürer und Martin Schongauer illustrieren dies eingangs mit furchteinflößend gezeichneten Dämonen. Gemälde von Arnold Böcklin und Carl Blechen aus dem 19. Jahrhundert zeigen das Unheimliche mit den Mitteln der „Schwarzen Romantik“. Doch in der Gegenwart hätten „Tod und Teufel“ neue Funktionen erhalten, stellt die Kuratorin vor.
Erleuchtete Fotografien zeigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wave-Gotik-Treffens Leipzig, die Augen schwarz umrandet, die Haare an der Seite abrasiert, Lippen und Wangen von Piercings durchbohrt. Die „exzessive und morbide Ästhetik“ der Gotik-Szene sei von Modeschöpfern aufgenommen worden, erläutert Page. Schaufensterpuppen tragen deren schwarze Kreationen. „Hexen, Monsterfiguren, Zombies und Vampire werden zu Ermächtigungsfiguren“, erklärt die Kuratorin den Wandel des Bösen. Der Schrecken verleiht Macht.
Alexander McQueen hat eine goldene Halskette entworfen, an der ein Schädel hängt. „Die Menschen sollen Angst vor Frauen haben, die ich kleide“, zitiert Page den Künstler. Das Motiv des „Empowerments“ hat der Kommerz vielfältig aufgegriffen. Unter dem Motiv „Be yourself, be unique, be a monster“ (Sei du selbst, sei einzigartig, sei ein Monster) sind Filme zu sehen oder Mattel-Puppen, wie „Frankie Stein“ und „Draculaura“. In der Gegenwart hat der Schrecken außerdem die Eigenschaft des Widerspruchs enthüllt.
Teufel, Monster und Todessymbole starren von einer Wand voll Plattencover von Heavy-Metal-Bands, wie etwa Black Sabbath oder Motörhead. „Die Musiker nutzen die Symbolik des Satanismus, um christlich geprägten Normen der Gesellschaft zu widersprechen und ihr Anderssein zu betonen“, erläutert Page. Dass der Schrecken auch Spaß machen kann, zeigen Fotos von Schlammschlachten auf dem Festival Wacken Open Air.
Beim Horror darf auch der Film nicht fehlen. Zahlreiche beleuchtete Filmplakate, wie für Dracula, Der Exorzist, The Shining, führen die Beliebtheit des Genres vor Augen. An einer Station lassen sich Trailer vorspielen – hier sollen Kinder von Erwachsenen begleitet werden, empfiehlt die Kuratorin.
Die Schau zeigt auch, wie Künstler den Schrecken für politische Botschaften nutzen. Die Fotografien des Briten Mat Collishaw, der mehrere gefüllte Teller nebeneinander zeigt, gleichen Stillleben. Doch der Titel verrät das Nichtalltägliche: „Letzte Mahlzeit im Todestrakt“ (2010). Die Verschiedenheit der letzten Mahlzeit offenbare, dass einzigartige Persönlichkeiten in den USA zum Tode verurteilt werden, deutet Page. Eine Fläche aus Fliesen ist auch nur scheinbar eine gewöhnliche. Teresa Margolles zeigt den Untergrund, auf dem in Mexiko der Künstler Luis Miguel Suro erschossen wurde. Die Arbeit trägt als Titel dessen Alter: „32 Jahre“ (2006).