Wer einen Ring am Ringfinger der rechten Hand trägt, ist verheiratet. Wer ein bestimmtes Fußballtrikot trägt, ist Fan genau dieser Mannschaft. Und wer eine Anstecknadel am Revers trägt, ist bei näherem Hinsehen als Mitglied einer Partei oder einer Organisation erkennbar.
Wenn also ein Mensch ein bestimmtes Symbol oder ein Erkennungszeichen trägt, wissen alle um ihn herum, wozu er gehört oder was er ist. Christen waren in den ersten Jahrhunderten am Fisch zu erkennen und später dann am Kreuz. Inzwischen findet sich zwar häufig noch der Fisch als Aufkleber auf dem Auto, aber so richtig populär ist dieses Symbol nicht mehr. Die meisten erkennen die Botschaft darin gar nicht. Und auch das Kreuz ist vielfach modisches Accessoire und nicht gleich ein Bekenntnis zum Christentum.
Kreuz heute vielfach modisches Schmuckstück
Woran also soll man einen Christ erkennen können? Im Zusammenhang der Taufe ist zwar die Rede von einem Siegel, das dem neuen Christen durch den Heiligen Geist eingeprägt wird, wie eine Münze geprägt wird, aber es ist ein geistiges Siegel (so sieht es der Kirchenvater Augustin). Somit ist es auf den ersten Blick nicht sichtbar. Vielleicht kommt es deswegen darauf an, was auf den zweiten Blick sichtbar ist. Eine Ordensfrau, die in Frankreich in einer Bank arbeitete, durfte dort nicht ihren Habit tragen. Von außen war sie also auf den ersten Blick nicht als Ordensfrau oder Christin zu erkennen. Sie erzählte auch nicht davon, dass sie im Kloster lebte, sondern tat einfach ihre Arbeit. Nach einiger Zeit allerdings sprachen ihre Kollegen sie an und fragten: „Nun sag uns, was ist dein Geheimnis?“
Ihr Geheimnis – das, was sie so anders machte – war ihr Christsein. Das Siegel der Taufe leuchtete bei ihr also auf. Nicht so sichtbar wie der Ehering, sondern auf andere Weise. Wer also Christ ist, soll erkennbar sein, auch wenn er keine bestimmte Kleidung oder kein Kreuz trägt. Das Erkennungszeichen eines Getauften ist seine Ausstrahlung.
Denn das ganze Leben soll das Zeichen sein, an dem ein Christ erkannt werden kann. So, dass andere Leute ins Fragen kommen: „Was ist dein Geheimnis?“ Wenn man dabei bedenkt, dass unser Geheimnis die Frohe Botschaft, das Evangelium ist, dann ist klar, dass das Geheimnis kein dunkles Geheimnis ist. Wer aus dieser Frohen Botschaft lebt und von ihr überzeugt ist, der kann keine trübe Ausstrahlung haben. Wer erfüllt ist vom Wort Gottes, der strahlt. Es ist ein Strahlen, das tief aus dem Inneren kommt und nicht so schnell verlöscht wie eine Streichholzflamme.
Dieses Glänzen vergeht auch dann nicht, wenn nicht alles rund läuft im Leben. Es verlischt nicht, wenn die Dinge anders kommen, als erwartet oder erhofft. Wer mit ganzem Herzen und ganzer Seele glaubt, wer erfüllt ist vom Geist Gottes, hat auch in Krisen Rückendeckung, kann mit Gottes Hilfe wie ein Fels in der Brandung sein. Der wird bekanntlich auch nicht von der nächsten Sturmflut weggespült, sondern bleibt bestehen und kann anderen ein Zufluchtsort sein.
Warum das möglich ist? Weil glauben heißt, dass am Ende alles ein gutes Ziel hat. Und ist es noch nicht gut, dann ist es noch nicht zu Ende. Glauben bedeutet, immer eine Perspektive zu haben und zu wissen, dass die Zukunft immer Gott ist. Wer daraus lebt, der erscheint anders als jemand, dessen einzige Hoffnung diese Welt ist. Der hat eine andere Ausstrahlung – er leuchtet. Auf diesen Menschen trifft zu, was Franziskus seinen Mitbrüdern riet: „Verkündigt das Evangelium, und wenn es nötig sein sollte, dann auch mit Worten.“ Dann braucht jemand keine großen Worte und keine sichtbaren Zeichen nach außen. Dann werden die Menschen um ihn herum aufmerksam und fragen nach der Hoffnung, die ihn erfüllt.
Den Ehering kann man abnehmen, das Fußballtrikot ausziehen und die Anstecknadel vom Revers nehmen. Auf diese Weise kann man seine Zugehörigkeit schnell ablegen. Wer aber getauft ist und aus der Taufe lebt, wer daran glaubt und erfüllt ist vom Heiligen Geist, der wird das nicht verbergen können und wollen. Und so jemand ist anziehend für andere und Zeuge der Frohen Botschaft, des Evangeliums. KNA
Die Bibel zum Thema
Die Erkennbarkeit eines Christen in der Welt ist in der Bibel ein starkes Thema. Herausragend ist die Rede vom Salz und Licht (Matthäus 5, 13ff.). Der einzelne Christ wie die gesamte Gemeinde sollen ihre Würz- und Leuchtkraft einsetzen, zum Wohl aller. Dies ist unter der Maßgabe zu verstehen, dass nicht der Mensch diese Gaben aus sich hat, sondern sie von Gott kommen. Mit der Aufforderung Jesu, das Licht leuchten zu lassen, „damit sie (die Menschen) eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Matthäus 5, 16), fremdeln manche. Ziel ist hier klar die Ehre Gottes, nicht das Lob des Einzelnen. Das Doppelgebot der Liebe (Matthäus 22, 37-39) ist Dreh- und Angelpunkt für das neue Wesen, die neue Existenz der Christen: Die Liebe zu Gott ist Ursprung, ist unerschöpfliche Quelle für eine sich verausgabende Hinwendung zum Nächsten. Dieses Erkennungsmerkmal war es vermutlich, das der Ausbreitung des Christentums in den Anfängen einen starken Anschub gab. hama