777, 77, 11: Die Kölner sind für ihre Leidenschaft für Schnapszahlen bekannt. Bei der Fan-Andacht zum Saisonstart des 1. FC Köln im Kölner Dom wird das diesmal voll ausgeschöpft. Was Kirche und Fußball verbindet.
Rot-Weiße Fahnen, Schals und Trikots – im Rhein-Energie-Stadion ist das bei Heimspielen des 1. FC Köln ein gewohnter Anblick. Wenn nun am Freitag ein paar Tausend FC-Fans nach Köln kommen, dann jedoch nicht, um ihr Team anzufeuern. Stattdessen wird es sie in den Kölner Dom ziehen, wo zur Mittagszeit die alljährliche Fan-Andacht beginnt.
Das ist in diesem Jahr tatsächlich ein Novum: Normalerweise fand die Andacht seit ihrer ersten Ausrichtung im Jahr 2014 immer vor dem Anstoß am ersten Heimspieltag des Effzehs statt. Dass der Termin nun vorverlegt wurde, liegt an zwei besonderen Jahrestagen: Am 15. August jährt sich die Grundsteinlegung des Doms im Jahr 1248 zum 777. Mal. Zugleich begeht der 1948 gegründete Fußballverein seinen 77. Geburtstag in diesem Jahr. Und als wäre das noch nicht genug, ist es auch noch die 11. Andacht, die gefeiert wird – höher könnte das schnapszahlenliebende Herz des Kölner Jecken kaum schlagen.
Die Verantwortlichen sind sich der Tragweite dieses Ereignisses bewusst. Der FC kündigte für die Andacht “besondere Überraschungen” an. Und auch der katholische Stadtdechant Robert Kleine, der die ökumenische Andacht mit dem evangelischen Stadtsuperintendenten Bernhard Seiger leiten wird, verspricht eine besonders “jecke” Zusammenkunft. Dass es sich um die 11. Andacht handle, sei zwar erst im Laufe der Planung aufgefallen, werde aber im Gottesdienst eine Rolle spielen. “Denn 11 ist ja für Köln wie für den Fußball eine ganz besondere Zahl”, sagte Kleine der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Ebenfalls neu ist in diesem Jahr ein dem Stadion ähnelndes Ticketsystem. So mussten sich die Fans erstmals im Vorfeld online Plätze sichern. Diese waren zwar kostenfrei, dennoch erfüllte die Ticketvergabe für die Verantwortlichen einen wichtigen Zweck: Dadurch sollte der Zugang zur Kathedrale limitiert werden. Die Erfahrung eines vollkommen überfüllten Umfelds, die es in diesem Jahr beim Konzert der britischen Star-Organistin Anna Lapwood gab, soll sich nicht wiederholen.
Wie groß der Andrang auf die 4.000 Tickets war, hatten viele wohl nicht für möglich gehalten – ausverkauft nach nur zwei Tagen. Seine Sorge, die Entkopplung von Andacht und Spiel könne sich negativ auf die Teilnehmerzahl auswirken, sah Stadtdechant Kleine nicht erfüllt – im Gegenteil gibt es nun sogar mehr Interessenten als in den Vorjahren, in denen rund 3.500 dabei waren. Es freuten sich wohl einfach viele Fans auf die Atmosphäre und schlicht darauf, den Dom zu sehen.
Wie eng die Verbindung von FC und Dom seit jeher ist, drückt sich nicht nur in gut besuchten Andachten aus. Beides sind in gewissem Sinne Wahrzeichen der Stadt, die weit über die Grenzen von Kirche und Sport in den kulturellen Alltag der Stadt Einzug gefunden haben. Der Kölner Karneval etwa wäre ohne Lieder über Dom und Effzeh kaum denkbar. Und nicht zuletzt ziert die Doppelturmspitze der Kathedrale schon seit dessen Gründung das Wappen des Fußballvereins.
Zur Andacht hebt der FC seinerseits diese Partnerschaft hervor und ruft seine Mitglieder zu Spenden für den Zentral-Dombau-Verein auf, “damit der Kölner Dom auch zukünftigen Generationen in all seiner Pracht erhalten bleibt”. Die überkonfessionelle Vereinigung stellt rund 60 Prozent der jährlich sieben bis acht Millionen Euro, die für den Erhalt der Kathedrale notwendig sind. Der Verein finanziert sich nach eigenen Angaben ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.
Den lieben Gott durch das Gebet auf die Kölner Seite zu ziehen, sei aber explizit nicht das Ziel der Andacht, betont Kleine. “Wir beten zusammen für Fairness und stellen uns gegen alles, was wir in Sport und Kirche nicht haben wollen: Ausschluss, Diskriminierung und Gewalt.” So sei es in den vergangenen Jahren auch üblich gewesen, dass kleine Gruppen gegnerischer Fans mit in der Andacht waren und dort freundlich begrüßt wurden. “Klar ist nur: Am Ende der Andacht wird die FC-Hymne gespielt – da sind wir dann doch parteiisch.”
Auch auf mögliche Kritik, etwa dass Fußball nicht in die Kirche gehöre, weiß Kleine eine Antwort. Dass es Gemeinsamkeiten gebe, lasse sich schon aus der Bibel ableiten: “Jesus hat gesagt: ‘Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.’ Wenn ich diesen Satz aus dem Matthäus-Evangelium deute, kann ich zu dem Schluss kommen, dass auch Kirche im übertragenden Sinne ein Mannschaftssport ist.”