Mit dem Projektaufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“ der Landesregierung hat für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen eine neue Phase der Armutsbekämpfung begonnen. Über die EU-Regionalfonds werden in Nordrhein-Westfalen derzeit 350 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um durch präventive und aufsuchende Maßnahmen die Entwicklung benachteiligter Stadt- und Ortsteile zu fördern. Für die Kommunen sind die Hürden zur Beantragung der Mittel allerdings sehr hoch.
Bevor überhaupt Projektanträge gestellt werden können, ist zunächst ein integriertes Handlungskonzept (IHKo) für die benachteiligten Stadtquartiere beziehungsweise Ortsteile vorzulegen. Ein IHKo erfordert eine empirisch gestützte Sozialraumanalyse, eine ressortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Kommune, eine Abstimmung mit allen relevanten Akteuren vor Ort (wie auch Kirche und Diakonie), eine Bündelung der unterschiedlichen Stränge kommunaler Armutsbekämpfung, die Einbringung kommunaler Eigenmittel beim Projektmanagement und schließlich einen Ratsbeschluss.
Klingt kompliziert, ist es auch. So kompliziert, dass seit dem Projektaufruf im Januar 2015 erst elf Kommunen erfolgreiche IHKos eingereicht haben. Insbesondere kleinere Kommunen scheinen mit den hohen Anforderungen trotz guter Beratungsangebote des Landes überfordert. Langfristig dürfte sich aber keine von Armut betroffene oder bedrohte Kommune der Erstellung eines IHKo entziehen können. Zu offensichtlich ist die Absicht der Landesregierung, Mittel zur Armutsbekämpfung zukünftig hauptsächlich über diesen Weg zu vergeben.
Da Kirche und Diakonie selbst nicht direkt antragsberechtigt sind, offenbaren sich die mit dem Projektaufruf einhergehenden Chancen erst auf den zweiten Blick. Klar auf der Hand liegen sie lediglich für diejenigen Einrichtungen, die so gut vernetzt sind, dass sie von ihren Kommunen aktiv aufgefordert werden, kirchliche oder diakonische Projekte ins jeweilige IHKo einzubringen und im Rahmen der Weiterleitung auch eigenständig durchzuführen. Dann winkt eine Förderung von immerhin 90 Prozent der projektbezogenen Personalkosten, durchaus auch für mehrere Projekte.
Schwieriger wird es, wenn Kirche und Diakonie bisher noch nicht in die laufenden Planungen einbezogen sind, oder aber wenn sich die jeweilige Kommune noch gar nicht mit der Erstellung eines IHKo befasst hat. Dann besteht Handlungsbedarf. In beiden Fällen können die zuständigen Mitarbeitenden der Kommune (meist Planungsamt) aktiv angesprochen werden. Entweder um sich nachträglich doch noch in bereits laufende Antragsverfahren einzuklinken oder aber um die Kommune zu ermutigen, ein eigenes IHKo zu erstellen, bevor die vom Land zur Verfügung gestellten Fördermittel knapp werden.
Mit dem aktuellen Aufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“ dürften sich die Rahmenbedingungen für Armutsbekämpfung und Quartiersarbeit in NRW auch langfristig ändern. Neben integriertem Handeln und Prävention setzt die neue Förderstruktur insbesondere auf eine frühzeitige Beteiligung aller Akteure. Ein bestimmtes Verfahren ist dabei nicht vorgeschrieben. Allerdings dürften die in den ersten IHKos zur Anwendung gekommenen Beteiligungsformen prägend auch für künftige Anträge der Kommune sein.
Deshalb sollten sich Kirche und Diakonie so früh wie möglich in die Planungen einbringen. Und angesichts der komplexen Anforderungen eines IHKos zeichnet sich jetzt schon ab, dass Kirche und Diakonie für die Kommunen besonders attraktive Projektpartner sein werden, wenn sie ihre unterschiedlichen Zugänge zu den am meisten benachteiligten Personengruppen bündeln und sich als gemeinsame Schnittstelle präsentieren.
Programmaufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“: www.efre.nrw.de/wege-zur-foerderung/projektaufrufe/starke-quartiere-starke-menschen.