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Da bin ich mitten drin

„Stufen des Lebens“ – ein Möglichkeit, Leben und Glauben ins Gespräch zu bringen

Ein Workshop zu „Stufen des Lebens“. Schon der erste Anblick war für mich überraschend. Es war nicht die Tatsache, dass etwas in der Mitte lag. Gestaltete Mitten gehören zum Stuhlkreis ja schon fast dazu. Aber was da in der Mitte lag, das faszinierte mich. Eine üppige Fläche. Gras war da und Blumen, ein Weg war markiert, Steine, Erhöhungen, Dornen, ein kleiner Holzstamm …

Nach einer Begrüßung und kleinen Einführung dann die Frage: Was wäre für Sie in diesem Bodenbild der richtige Platz? Wo würden Sie sich gerne niederlassen?
Sofort waren wir im Gespräch. Der Eine hätte sich gerne auf die Steine gestellt – da hat man den besten Überblick. Die Andere wollte gerne auf der Wiese liegen, die Sonne genießen. Jemand wäre auch gerne unter die Dornen gekrochen. Da ist doch noch Platz – und man ist geschützt.
Sehr schnell waren wir mitten in dem Geschehen. Ich entdeckte mich selbst immer mehr mit all den Schattierungen meines Lebens in dem Bodenbild – und dann auch in der Geschichte von dem vierfältigen Acker. Jesus streut den Samen aus: Auf das gute Feld, aber auch auf den Weg, auch unter die Dornen, auch auf den steinigen Boden. Er streut üppig aus auf alle Flächen meines Lebens. Der biblische Text fing an, ganz neu in meinem Leben anzudocken. Das Wort Gottes erreichte tiefere Schichten als in vielen anderen Begegnungen mit diesem Text.
Das war meine erste Begegnung mit Stufen des Lebens. Auch nach 15 Jahre ist sie mir gut im Gedächtnis.
Jahre später habe ich genau diese Einheit in der Justizvollzugsanstalt Werl durchgeführt, mit etwa 40 Gefangene in zwei Gruppen. Harte Jungs. Viele lebenslänglich Verurteilte. Es war beeindruckend, zu erleben, wie auch bei ihnen etwas deutlich wurde von dem Samen, der auf den Trampelpfad geworfen wird, der auf den steinigen Boden fällt und dort schnell in der Sonne verbrennt, der aber auch auf den guten Boden fällt und aufgehen kann. Selbst nach Jahren noch. Durch den Umgang mit den Bodenbildern und dem geleiteten Gespräch wurden tiefe Schichten angerührt. Die Bodenbilder werden berührt und verändert, und gleichzeitig werden die, die dabei sind, berührt und verändert.
Eine anderen Ort, ein anderer Kurs mit vier Einheiten um Bo(o)t­­schaften. Die Gruppe ist sehr gemischt. Theologen sind dabei, zwei Teilnehmerinnen von der landeskirchlichen Gemeinschaft, mehrere arbeiten in Hauskreisen regelmäßig mit Bibeltexten, ein paar haben mit Bibel und Textarbeit bisher nichts zu tun gehabt. Ich bin gespannt, wie es wird – und am Ende völlig begeistert. Es ist gelungen, alle Teilnehmenden in ein gemeinsames Gespräch und Erleben zu bringen. Das gelingt, wenn nicht das Wissen im Vordergrund steht, sondern die Verbindung zwischen Glauben und Leben.
Viele Gemeinden in Westfalen haben schon Erfahrungen mit der Arbeitsweise von „Stufen des Lebens“ gemacht, manche führen jahrelang immer wieder neue der inzwischen 17 Kurse in ihrer Gemeinde durch. Das Amt für missionarische Dienste bietet jährlich zwei bis drei Kursleiterinnen- und Kursleitertagungen an, die zu Kursen in der eigenen Gemeinde führen können.
Informationen zu Stufen des Lebens unter: www.stufendeslebens.de. Informationen zu den Angeboten in Westfalen im Internet unter: http://www.amd-westfalen.de/begegnen-einladen/stufen-des-lebens/.

Der Segen bleibt

Eine Kursteilnehmerin berichtet: Als Teilnehmerin eines Stufen des Lebens-Kurses weiß man nie so recht, worauf man sich einlässt. Man sitzt im Kreis und schaut auf ein „Bodenbild“. Oft erscheint einem das, was dort aufgebaut ist, zusammenhanglos, nicht mit dem Thema in Einklang zu bringen. Irgendwann merkt man jedoch: Das ist nicht mehr nur eine Geschichte aus der Bibel. Dort auf dem Boden entwickelt sich meine eigene Geschichte.
So ging es mir mit der Lebensgeschichte des Jakob. Vielen ist sie aus Kindertagen vertraut. Aber gerade dieses „ach das kenn ich doch schon“ trübt oft den Blick für das Geschehen hinter dem Geschehen. Da ist er, der Jakob. Das Schlitzohr. Heute  würde er sich mit dem Erschleichen des Erstgeborenensegens vielleicht sogar die Anerkennung des „Big Business“ sichern. Aber was war der Preis? Jahre der Einsamkeit, Zweifel, Angst und die Erkenntnis, dass andere das Spiel genauso gut beherrschen wie er. Mit Laban findet er seinen Meister. Noch gewinnsüchtiger und ausgebuffter als er selbst.
In den vier Kurseinheiten gehen wir mit Jakob durch alle Höhen und Tiefen seines Lebens. In der heutigen Zeit würde man daraus eine unendliche Daily Soap machen können mit all den Intrigen, Lügen, zerstrittenen Familien, Tod, Trauer und immer wieder Zurückkämpfen ins Leben. Spätestens dann merken wir, dass die Bibel keine Geschichten erzählt, die in sich beendet sind. Der Untertitel des Kurses heißt: Jakob zwischen Kämpfen und Geschehenlassen. Das ist auch unsere Geschichte: Auch wir kämpfen. Oft weil wir selber schuld sind. Weil eine falsche Entscheidung uns auf Jahre lähmt, ängstigt, uns aus der Bahn wirft. Weil wir nicht abwarten können, was Gott mit uns vorhat, und glauben, alles selbst in die Hand nehmen zu müssen.  
Auch wir müssen geschehen lassen. Weil wir müde sind, kraftlos, unentschlossen. Wir fühlen uns oft nicht mehr in der Lage, darauf zu schauen, was in unserem Leben noch trägt, wer uns trägt.
Der goldene Segensfaden, der sich durch die vier Einheiten zog, war immer da. Manchmal als breites Band, manchmal nur als dünner Faden. Aber bei genauem Hinsehen immer sichtbar. Der Kurs hat uns Teilnehmern gezeigt, wie wichtig es ist, Augen, Ohren und Herz offenzuhalten für den Segen Gottes. Ihn manchmal sogar zu fordern. Das ist unser gutes Recht, denn Gott hat ihn uns zugesagt.

Renate Stöckermann, Neunkirchen