Künstliche Intelligenz könnte eines Tages menschliche Angestellte ersetzen: Davon erzählt Elias Hirschls Roman “Content”. Der Autor blickt in eine Zukunft, die der Gegenwart erschreckend nah zu sein scheint.
“Man gewöhnt sich an den Lärm der Hydraulikpressen, während man die Top 11 der außergewöhnlichen UFO-Sichtungen googelt”, sagt Karin.” Der Zukunftsroman von Elias Hirschl beginnt mit dem Start der namenlosen Hauptfigur an ihrem neuen Arbeitsplatz. Ihre Kollegin Karin erklärt ihr das wenig anspruchsvolle Schreiben von Click-Bait-Listen – und, dass der Bürokomplex über einem ehemaligen Tagebau steht. Niemand wisse genau, was sich in der Tiefe befinde.
Mit Witz und Ironie beschreibt Hirschl eine zerfallende Gesellschaft, die durch Künstliche Intelligenz immer weniger Menschen braucht. Die Internet-Welt der sozialen Netze tritt in “Content” an die Stelle des realen Lebens der Figuren. Mit ihnen verknüpft sind neben Information und Unterhaltung auch berufliche Hoffnung und enge persönliche Kontakte. Sie sind häufig die einzige Verbindung, um überhaupt in Kontakt zu treten.
Die 31-jährige Hauptfigur trifft real fast ausschließlich ihre Kollegen und Kolleginnen auf der Arbeit – und sucht auch mal Kontakt über eine Dating-App. Ein Leben als Ansammlung zufälliger, bedeutungsloser Begegnungen sowie verrückter Entwicklungen, das zusätzlich gespeist aus Verschwörungstheorien, die immer weiter in eine faszinierende surreale Gedankenwelt abgleitet.
Hirschls Hauptfigur arbeitet als Kreativ-Schreiberin in einer Firma, ohne einen Sinn in dieser Aufgabe oder eine Perspektive für ihre Zukunft zu sehen. Einen Sinn kann sie auch nicht in den vielen Dokumentationen, Filmen und YouTube-Videos finden, die sie täglich sieht. Und die auch in ihrer Firma erstellt werden. Ohne erkennbares Ziel – außer vielleicht immer wieder für neue Dopamin-Schübe zu sorgen. Die Arbeitsbedingungen der Firma “Smile Smile Inc.” führen währenddessen zum Wahnsinn ihrer Angestellten.
Trotzdem hat sie noch Glück. Denn Arbeit ist rar geworden. Menschen werden zusehends durch Technik und Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt.
Eine Kollegin ist davon überzeugt, dass sie bald alle ihren Job verlieren werden. Denn Menschen seien nicht gemacht für diese Arbeit. “Ein Algorithmus kriegt kein Burnout. Eine KI sucht nicht um Krankenstand an, fordert keine Gehaltserhöhung, versucht keine Gewerkschaft zu gründen”, sagt sie. Die Rechte der Arbeiter und Angestellten sind genauso verkommen und instabil wie das unterirdische Netz aus Löchern des Kohletagebaus unter der Stadt. Eine bedrohliche, menschenfeindliche Umgebung ohne Halt. Eine Umwelt, die immer weiter in sich zusammenfällt – aller neuen Technik zum Trotz.
Auch Formen eines Endkapitalismus werden sichtbar. Auf der Arbeit geht es um den nächsten großen Hype, bei dem man dabei sein muss. In der Freizeit um Bedürfnisbefriedigung, psychische Krankheit und systemisches Versagen. Supermärkte gibt es nicht mehr; die einzige Bar schließt. Immer mehr Obdachlose leben auf den Straßen, Fußgänger fallen in Löcher, Verkehrswege brechen unter Autos zusammen. Dazu droht die Stadt auch noch voll Wasser zu laufen. Doch “lohnt” die Rettung nicht. Eine Stadt im Endstadium.
Elias Hirschl hat das Buch “Content” als Dortmunder Stadt(be)schreiber verfasst und ein halbes Jahr in der Ruhrgebietsstadt gelebt und gearbeitet. Gefördert wurde das Stipendium von Stadt, Kulturbüro, Literaturhaus und Literar Mechana. Der kurzweilig geschriebene Roman umfasst 220 Seiten und erscheint am (heutigen) Montag bei Zsolnay.