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Constantin-Chef Moszkowicz: Fühle mich dem Judentum sehr nahe

Martin Moszkowicz leitet das Münchner Filmunternehmen Constantin. In einem Interview hat er nun über sein Jüdischsein gesprochen. Er erlebt demnach Antisemitismus heute anders, als es früher sein Vater getan hat.

Der scheidende Chef des Unternehmens Constantin Film, Martin Moszkowicz (65), ist nach eigenen Worten dem Judentum verbunden, aber nicht religiös. Er habe die Religion seines Vaters in den Neunzigerjahren besser kennengelernt, als er in den USA gelebt habe, sagte Moszkowicz der “Süddeutschen Zeitung” (Wochenende): “Dieses jüdische Leben in Los Angeles fasziniert mich, auch die liberalen Synagogen, wo die Herkunft keine so große Rolle spielt. Ich fühle mich heute dieser Religion und dieser Schicksalsgemeinschaft sehr nahe. Obwohl ich kein religiöser Mensch bin.”

Antisemitismus kenne er, ergänzte Moszkowicz. “Ich kriege seit vielen Jahren Hassmails. Wenn Sie dieses Interview rausbringen, kann ich absolut sicher sein, dass ich in der nächsten Woche ekelhafte Nachrichten bekomme.” Sein Vater habe noch anonyme Briefe erhalten: “Heute stehen die Leute mit Klarnamen oder erkennbarer E-Mail hinter ihren Verbalattacken.”

Zu seiner Familiengeschichte erklärte Moszkowicz: “Der Vater meiner Mutter ist als Kriegsverbrecher nach dem Krieg über die sogenannte Rattenlinie, die viele Nazis auf ihrer Flucht benutzten, nach Südamerika geflohen. Er ging nach Buenos Aires, und seine damals 17-jährige Tochter, meine Mutter, kam nach.” Sein Vater sei damals ebenfalls nach Südamerika gereist, um seinen vor den Nazis dorthin geflohenen Vater zu suchen.

“Es gab in Buenos Aires zwei Gemeinden nebeneinander: die deutschen Nazis, die dort waren. Und auf der anderen Seite die Juden, die vor den Nazis geflohen waren”, erzählte der Constantin-Chef weiter: “Es gab auch zwei deutschsprachige Zeitungen – die der Juden und die der Nazis. Die beiden Blätter haben damals einen gemeinsamen Empfang veranstaltet. Und dort haben sich meine Eltern kennengelernt.”

Auf die Frage, ob sich daraus kein Film machen ließe, antwortete Moszkowicz: “Manche Geschichten leben besser in der Erinnerung, selbst wenn es sich lohnt, sie zu erzählen.” Ihm sei diese Geschichte zudem zu nah.

Weiter sagte Moszkowicz, Kino könne zusammenführen, “selbst in einem gespaltenen Land – das ist eine der großen Kräfte, die Kino hat”. Alle lachten oder weinten, wenn ein Film richtig gut sei: “Dieses Gemeinschaftserlebnis, dieses Gefühl, mit 500 Leuten einen Thriller oder eine Komödie zu sehen, kriegen sie nicht auf ihrer Couch mit ihrem Laptop oder Handy.”