Heike Plaß ist Referentin für Evangelische Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Münster und stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Erwachsenenbildungswerkes Westfalen und Lippe (EBW). EBW-Geschäftsführerin Pfarrerin Antje Rösener sprach mit der promovierten Kulturanthropologin und Historikerin über Schwerpunkte der Arbeit heute – 500 Jahre nach der Reformation.
Erwachsenenbildung in einem Kirchenkreis heißt immer: Viele Themen und Seminare. Gibt es ein Projekt aus den letzten Monaten, das besonders Freude gemacht hat?
Ja, klar. Ein Projekt startete im Februar und lief bis in den Juli. Es begann mit einem Kunstworkshop „Atelier in der Kirche“, und zwar nicht in Münster, sondern in der Christuskirche Bergkamen Rünthe. Dort wurde die Kirche leer geräumt, zum Atelier umfunktioniert und zehn Kunstschaffende haben sich von Freitag bis Sonntag mit dem Thema „Licht und Schatten der Freiheit“ auseinandergesetzt.
Zu 500 Jahre Reformation – mit dem westfälischen Motto „Einfach frei“ – haben wir, das sind mein Erwachsenenbildungskollege Dirk Heckmann aus Unna und ich, Künstlerinnen und Künstler gebeten, ihr eigenes Bild von Freiheit zu gestalten. Auch die Schattenseiten der Freiheit konnten in den Blick genommen werden. Es sind beeindruckende Werke herausgekommen. Das Thema war darüber hinaus als Kunstwettbewerb ausgeschrieben, die Beteiligung war erfreulich hoch. Die Ergebnisse haben wir in einer Kunstausstellung zusammengefasst und von Pfingsten bis Juli gezeigt. Das Publikum war die Jury.
Dieses Projekt ist sowohl in der Kunstszene Münsters und Umgebung, als in Unna sowie bei den Besucherinnen und Besuchern auf große Resonanz gestoßen.
Welche anderen Schwerpunkte hat die Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Münster?
Neben dem Schwerpunkt Kultur und Kirche habe ich hier das Pilgern verankert. Kirche auf Zeit ist ein wichtiges Stichwort, das sich in Kulturprojekten und in Pilgertouren spiegelt. Mit Menschen gemeinsam unterwegs zu sein und sich dabei buchstäblich mit Gott und der Welt zu beschäftigen, das wird sehr gut angenommen. Ich plane derzeit zwei größere Pilgerreisen für das Jahr 2018, z.B. wollen wir die erste Etappe des Franziskusweges von Florenz nach Assisi gehen. Hinzu kommen Studienfahrten, wie beispielsweise nach Lissabon im Frühjahr 2018.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt beim Thema Fundraising. Über meine Regionalstelle werden zusammen mit den landeskirchlichen Beauftragten Basiskurse ausgeschrieben. Das Fundraising wird immer wichtiger, nicht nur für Kirchen. Dabei ist nicht nur das Geld im Fokus, sondern es geht um Beziehungen, um Menschen, die sich gern und freiwillig in und für Kirche einsetzen. Das ist Fundraising.
Eine Frage an die Kulturwissenschaftlerin ist: Wie passen Kultur und Bildung zusammen?
Das fällt mir gleich mehreres ein: Kunst und Kultur sind Medien, die Menschen mit Kirche in Verbindung bringen. Ausstellungen in Kirchräumen sind etwas Besonders: Der Raum als solcher wirkt bereits wie eine Inszenierung. Kirchen sind öffentliche Räume, Bildungsräume, in denen Perspektivwechsel stattfinden können. Kirche sollte auch zur Kulturpolitik Stellung nehmen, eine Lobby für Kultur sein.
Außerdem liegen religiöse und künstlerische Erfahrungen oft eng beieinander. Die Kommunikation des Evangeliums kann sehr gut durch Kunst geschehen.
Kunst schafft Unterbrechungen und erweitert den Horizont von Gemeinden und von Einzelnen.
Evangelische Bildungsarbeit in einer stark katholisch geprägten Stadt wie Münster: Woran merkt man das „Evangelische“ in der Bildungsarbeit?
Jetzt im Jahr 2017 war es mehr als offensichtlich. Reformation aus historischer Sicht sowie ihre Auswirkungen auf das Hier und Heute – das war für die Evangelische Erwachsenenbildung ein wichtiges Thema. Generell möchte ich behaupten, dass eine evangelische Erwachsenenbildung sehr viele Freiräume und Freiheiten (zu-)lässt. Bleiben wir bei der kulturellen Bildung: Sie erlaubt Perspektivwechsel, sie erlaubt Selbstbildung und Reflexion und sie bietet ein ausreichendes Maß an Freiheit als Voraussetzung für eine individuelle und kritische Aneignung von Bildungsinhalten.
Zum Stichwort Freiheit kommt der Begriff der Verantwortung. Auch gesellschaftskritische Beiträge gehören dazu. So ist derzeit ein Angebot unter dem Titel „Kirche bietet Parolen paroli“ stark nachgefragt. Hier geht es darum, dass wir uns auseinandersetzen mit unserer eigenen Haltung, mit unseren Werten und einen Blick in die eigene Gesellschaft um uns herum wagen.
Was für Highlights erwarten uns in den nächsten Monaten?
In Kooperation mit dem Stadtmuseum Münster werden wir am 31. August die große Ausstellung „Die Macht des Wassers – Taufen in der Reformation“ eröffnen. Sie läuft bis Januar 2018. Dazu haben wir ein gehaltvolles Begleitprogramm zusammengestellt. Im September startet dann ein großes Musicalprojekt „Argula von Grumbach – Die Mutter Courage der Reformation“. An vier verschiedenen Orten wird das Musical aufgeführt. An jedem dieser Orte wird es einen vorbereitenden thematischen Einführungsabend geben. Das Projekt endet mit einem Workshop-Wochenende in der Jugend- und Bildungsstätte Tecklenburg unter dem Titel „Ich habe Euch kein Frauengeschwätz geschrieben – Argula von Grumbach, Martin Luther und die Heilige Schrift“.