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Bundestag stimmt Sicherheitspaket zu – Bundesrat nur teilweise

Nach dem Anschlag von Solingen hatte die Bundesregierung schnelle Maßnahmen versprochen. Knapp zwei Monate später kommt ihr sogenanntes Sicherheitspaket zwar durch den Bundestag. Im Bundesrat fällt ein Teil aber durch.

Das sogenannte Sicherheitspaket der Ampel zu Migration und Terrorismus ist nur teilweise unter Dach und Fach. Der Bundestag stimmte den Maßnahmen, die SPD, Grüne und FDP nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht hatten, am Freitag zwar zu. Der Bundesrat verweigerte anschließend jedoch seine Zustimmung zu Teilen des Pakets. Zivilgesellschaftliche Organisationen lehnen insbesondere Verschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht weiterhin ab. Ende August hatte ein mutmaßlich islamistisch motivierter Mann auf dem Stadtfest in Solingen (Nordrhein-Westfalen) drei Menschen getötet.

Der Bundesrat ließ zwar die Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie im Waffenrecht passieren. Die Länderkammer stimmte aber nicht den geplanten erweiterten Befugnissen der Sicherheitsbehörden zu. Dabei ging es zum Beispiel um den Abgleich biometrischer Daten. Bundestag und Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen.

Zuvor hatte der Bundestag nach einer lebhaften Debatte in namentlicher Abstimmung für die Gesetzentwürfe gestimmt. Das Paket stelle “einen der wichtigsten Fortschritte in der inneren Sicherheit” dar, verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Maßnahmen vor der Abstimmung. Es sei eine “starke Reaktion auf den furchtbaren Terror von Solingen” und die richtige Antwort auf Terrorismus und Extremismus sowie Gewalt in Zügen und auf Festen.

Der Union gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Das Paket werde der inneren Sicherheit nicht gerecht, sagte Vize-Fraktionschefin Andrea Lindholz (CDU). Es sei im Parlament zu einem “Mini-Päckchen” zusammengeschrumpft. So fehlten etwa die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten sowie umfassende Zurückweisungen an deutschen Grenzen. Der Ampel warf Lindholz vor, selbst “ein Sicherheitsrisiko” für Deutschland zu sein.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz verteidigte hingegen die vorgenommenen Änderungen: Das Paket werde dadurch europa- und verfassungskonformer. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle warb dafür, dass Union und Ampel gemeinsam über Fragen der Migration sprechen sollten. “Unser Land braucht zusätzliche politische Maßnahmen, um die irreguläre Migration weiter zu senken.”

Endgültig beschlossen wurde nun, dass Heimreisen von anerkannt Schutzberechtigten in der Regel zur Aberkennung des Schutzstatus führen. In sogenannten Dublin-Fällen sollen Asylsuchenden, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, unter bestimmten Umständen Sozialleistungen gestrichen werden.

Die Ampel hatte nach massiver Kritik von Experten in einer Anhörung im Bundestag noch Änderungen vorgenommen. Danach werden Asylsuchende in Dublin-Fällen nur dann von Leistungen ausgeschlossen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihre Ausreise in den für sie zuständigen EU-Staat für möglich hält. Heimreisen von Schutzberechtigten, die “sittlich zwingend geboten” sind, wirken sich nicht auf den Schutzstatus aus. Dazu zählen etwa Reisen zu Beerdigungen von Angehörigen.

Im Waffenrecht werden die Ausnahmen vom Waffen- und Messerverbot bei öffentlichen Veranstaltungen erweitert, zum Beispiel auf Geschäftslieferanten und Beschäftigte in der Gastronomie.

Die Organisation Pro Asyl kündigte bereits an, rechtliche Schritte gegen die Maßnahmen im Migrationsbereich zu unterstützen. “Wenn selbst demokratische Parteien vor rechtem Populismus einknicken und die Grundrechte geflüchteter Menschen missachten, stehen wir umso entschlossener an der Seite der Schutzsuchenden”, teilte Pro Asyl mit. Man werde entsprechende Klagen unterstützen und das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten.

Die Organisation gehört auch einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis an, das sich besorgt über die derzeitige Diskussionslage zeigte. “Statt drängende Zukunftsfragen wie die Bildungskrise, die Wohnungsnot, den Fachkräftemangel und die notwendige Transformation zu einer klimaneutralen, sozialen Wirtschaft endlich nachhaltig zu beantworten, liegt der Fokus vor allem auf dem Thema Asyl”, kritisierte das Bündnis “Zusammen für Demokratie” anlässlich der Entscheidung über das Sicherheitspaket. Unter den 69 Mitgliedern finden sich unter anderen mehrere kirchliche Institutionen, Migranten- und Sozialverbände und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen.

“Getrieben durch die extreme Rechte erleben wir immer häufigerDiskussionen und Haltungen, die auf Ausgrenzung und Abschottungzielen”, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses weiter. Man sei dagegen zuversichtlich, dass “wir gemeinsam die großen Herausforderungen erfolgreich meistern können”. Fragen von Migration und Flucht sollten pragmatisch und lösungsorientiert angegangen werden, “etwa durch eine wirksame Unterstützung der Kommunen und den Abbau von Hürden auf dem Weg zu gelingender Integration”. Das Bündnis erinnerte daran, dass jeder Mensch die gleiche Würde habe.