Hausärzte-Mangel in der Fläche und lange Wartezeiten in Praxen haben die Ex-Ampelpartner noch mal zusammengebracht: Die Reform der ambulanten Versorgung kommt. Die Krankenkassen sind sehr skeptisch.
Eine bessere hausärztliche Versorgung für die Menschen in Stadt und auf dem Land: Dieses Reformvorhaben hat der Bundestag in der Nacht zum Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebracht. Kern des verabschiedeten Gesetzes ist die Entbudgetierung, also das Wegfallen von Honorarobergrenzen bei Hausärzten. Zusätzlich sind Pauschalen für besondere hausärztliche Leistungen wie Hausbesuche sowie die Versorgung chronisch Kranker geplant.
Mit dem sogenannten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz soll auch die Gründung kommunaler medizinischer Versorgungszentren einfacher werden. Eine bessere und schnellere Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung sowie eine leichtere Hilfsmittelversorgung für Menschen mit Behinderung sind ebenfalls vorgesehen. Auch der Anspruch auf Notfallverhütungsmittel für Opfer sexualisierter Gewalt, die sogenannte Pille danach, wird ausgeweitet. Sie sollen künftig ohne Altersbegrenzung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden.
Darüber hinaus soll mit dem Gesetz die Interessenvertretung der Pflege sowie der Patienten gestärkt werden. Für Hebammen sind mehr Mitspracherechte festgelegt. Zahlreiche Aspekte wie die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zunächst geplanten Gesundheitskioske als niedrigschwellige Beratungsstellen, Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen waren indes in der Entwurfsphase aus dem Gesetz gestrichen worden.
Während aus der Ärzteschaft viel Lob für das Gesetz kam, gepaart mit der Forderung nach einer Entbudgetierung für alle Fachärzte, kritisierten die gesetzlichen Krankenkassen die Reform. Für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber sei die Reform keine gute Nachricht, da die Kosten noch einmal um geschätzt bis zu 500 Millionen Euro jährlich stiegen.
Die Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, beklagte, dass die eigentlich zerbrochene Ampel-Koalition “heimlich, still und leise” die Honorarverbesserung beschlossen habe. Es sei ein “unausgegorenes Wahlgeschenk”, da es zunächst keinen zusätzlichen Hausarzt in einer strukturschwachen Region ansiedele und kein Patient früher oder besser behandelt werde. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung konterte, dass sie sofort für Verhandlungen über die Umsetzung der Entbudgetierung bereits sei.