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Bundestag bringt E-Rezept und Patientenakte auf den Weg

Zentrale Bestandteile der neuen Gesetzes im Gesundheitswesen sind die Einrichtung der elektronischen Patientenakte für alle und die Durchsetzung des E-Rezepts. Die wichtigsten Fakten.

Die digitale Patientenakte soll mit einer Kampagne unterstützt werden
Die digitale Patientenakte soll mit einer Kampagne unterstützt werdenImago / Christian Ohde

Per Fax versendete Arztbriefe, Aktenordner voller Befunde, Röntgenbilder auf CD: Das Gesundheitswesen in Deutschland steckt noch im 20. Jahrhundert. Das soll sich ändern. Der Bundestag hat zwei Gesetze beschlossen, die einen Schub für die Digitalisierung bringen sollen. Zentrale Bestandteile sind die Einrichtung der elektronischen Patientenakte für alle und die Durchsetzung des E-Rezepts. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt zentrale Fakten des “Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens” sowie eines “Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten”.

Wie steht es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens?
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens verläuft bislang ziemlich schleppend. Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist Deutschland auf diesem Gebiet Entwicklungsland und benötigt eine Aufholjagd. Spürbare Fortschritte wird es nach Überzeugung des Ministers aber nur geben, wenn die Maßnahmen bei Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten und anderen Gesundheitsfachkräften einen wahrnehmbaren Nutzen bringen.

Was will die Bundesregierung konkret?
Lauterbach hat eine Digitalstrategie ausgerufen: Das “Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten” soll der medizinischen Forschung in Deutschland einen Schub bringen – durch eine vereinfachte Nutzung von Gesundheitsdaten in Forschung und Pharmaindustrie. Das “Digital-Gesetz” soll insbesondere den Durchbruch für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept bringen.

Was bringt das neue Gesetz für das elektronische Rezept?
Fast 500 Millionen Rezepte lösten die Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr ein, die meisten davon aus Papier. Das soll sich ändern: Das E-Rezept soll zum 1. Januar verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Dabei bekommen Patienten statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Handy oder auf die elektronische Gesundheitskarte, mit dem sich in Apotheken Medikamente abholen lassen. Auch per App soll das Rezept eingelöst werden können.

Wie geht es mit der elektronischen Patientenakte weiter?

Gesetzlich Krankenversicherte sollen ab 2025 automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) erhalten – wenn sie nicht ausdrücklich widersprechen. Damit sollen Millionen gesetzlich Versicherte nach und nach ihre Röntgenbilder, Labordaten und andere Behandlungsdaten digital speichern können. Um ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln künftig besser zu vermeiden, soll die ePA als erstes mit einer digitalen Medikationsübersicht befüllt werden. Auch die elektronischen Notfalldaten sollen auf der ePA gespeichert werden. Leistungserbringer wie Krankenhäuser sollen auf Wunsch ihrer Patienten auch ältere Befunde, Berichte, Arztbriefe und Krankenhausentlassungsbriefe in der ePA speichern. Wie das genau funktioniert, ist noch offen.

Ist die Nutzung freiwillig?

Die Kassen müssen die elektronische Patientenakte schon seit 2021 anbieten. Bisher mussten Patienten ausdrücklich zustimmen (Opt-in-Verfahren), wenn sie eine ePa haben wollten. Das und die komplizierte Handhabung haben allerdings dazu geführt, dass sich bislang erst rund ein Prozent der Versicherten für eine Nutzung entschieden haben. Das neue Gesetz ändert das und schreibt eine sogenannte Widerspruchslösung (Opt-out) vor. Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, soll automatisch eine elektronische Patientenakte bekommen. Unklar ist aber noch, wie genau das Widerspruchsverfahren aussehen soll.

Was ist, wenn der Versicherte sich gar nicht kümmert?

Dann wird die ePA automatisch erstellt. Praxen und Krankenhäuser können die gespeicherten Informationen dann einsehen und austauschen. Ob die Patienten selber diese Informationen nutzen und auf die Patientenakte zugreifen, entscheiden sie selbst. Lauterbach verfolgt das Ziel, dass im übernächsten Jahr 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePA nutzen.

Wer bestimmt, was gespeichert wird?

Die Daten gehören den Patienten. Sie können deshalb auch bestimmen, welche Daten in der ePA gespeichert werden und auch, welche wieder gelöscht werden sollen. Wer beispielsweise nicht will, dass der Zahnarzt die psychologische Diagnose einsehen kann, kann dies sperren. Patienten können auch entscheiden, dass der Arzt in die Patientenakte nur hineinschreibt, aber nicht sieht, was dort schon enthalten ist. Das Gesetz erwähnt explizit, dass Ärztinnen und Ärzte beim Eintragen von HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder einer psychische Erkrankung ihre Patienten auf die Widerspruchsmöglichkeiten der Dokumentation dieser Daten hinweisen müssen.

Müssen Ärzte die Patientenakte befüllen?

Ärzte sind ab 2025 verpflichtet, die ePA mit Befunden, Arztbriefen und anderen Patientendaten befüllen. Sonst drohen ihnen Sanktionen. Allerdings ist noch unklar, ob die technischen Praxissysteme auch ausreichend funktionieren. Das bezweifeln zumindest die Hausärzte. Doch nicht nur Ärztinnen und Ärzte können die ePA befüllen. Wer möchte, kann sie zum Beispiel auch mit Daten aus Fitness-Trackern oder Smartwatches füttern. Geplant ist auch eine Schnittstelle zum Organspenderegister, das im kommenden Jahr starten soll.

Verbesserungen soll es auch bei der Telemedizin geben. Was ist geplant?

Telemedizin soll ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden. Insbesondere Videosprechstunden sollen noch umfassender eingesetzt und leichter genutzt werden können. Dazu wird die bisher geltende Begrenzung der Videosprechstunden in einem ersten Schritt aufgehoben. Die Videobegutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird eingeführt. Auch eine “assistierten Telemedizin in Apotheken” ist künftig möglich.

Lauterbach will medizinische Daten auch für die Forschung leichter zugänglich machen. Warum?

Der Minister ist der Meinung, dass Deutschland aus Datenschutzgründen etwa in der Krebsforschung dramatisch zurückgefallen sei. Gesundheitsdaten seien derzeit die wichtigste Quelle für neue Forschung. Lauterbach betont, es gebe schon jetzt eine riesige Menge Daten in Deutschland, die aber in getrennten Silos lägen und nicht miteinander verknüpft werden könnten. Patienten sollen der Nutzung ihrer Daten zu Forschungszwecken aus der elektronischen Patientenakte aber ausdrücklich widersprechen können.

Wie soll die verbesserte Datennutzung konkret erfolgen?

Das Sammeln und Auswerten von Daten soll leichter werden. Daten aus verschiedenen Quellen wie Krebsregistern, Krankenkassendaten und Daten aus der elektronischen Patientenakte sollen pseudonymisiert im Forschungsdatenzentrum gespeichert werden, das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) betreibt. Dieses Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) soll als Mittler und Koordinator zwischen den datenhaltenden Stellen und den Datennutzenden ausgebaut werden. Pharmaindustrie und Wissenschaft sollen hier Anträge zur Nutzung von Daten für bestimmte Forschungszwecke stellen können. Entscheidend soll sein, dass die Projekte dem Gemeinwohl dienen.

Schon jetzt nutzen die Krankenkassen Abrechnungsdaten, um Erkenntnisse über die Gesundheit der Bundesbürger zu gewinnen. Sollen auch sie besseren Zugang zu Patientendaten erhalten?

Die Krankenkassen sollen grundsätzlich nicht auf die Daten der Patientenakte zugreifen können, sondern nur auf die Abrechnungsdaten. Diese liegen ihr schon heute vor. Neu ist, dass die Krankenkassen auf Grundlage der Abrechnungen ihre Versicherten auf bestimmte Gesundheitsgefährdungen und Krankheitsrisiken scannen dürfen. Sie dürfen ihnen dann Hinweise schicken – etwa, um eine nötige Krebsvorsorge zu empfehlen.

Welche Bedenken gibt es?

Aus Sicht des Bundesdatenschutzbeauftragten bleiben bei der elektronischen Patientenakte zu viele Fragen unklar. Etwa, wie Patientinnen und Patienten ihre Daten sperren können. Patientenschützer wollen, dass man weiterhin aktiv zustimmen muss, um eine elektronische Patientenakte zu bekommen.

Bei der Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung geht es Kritikern etwa darum, wie weit pseudonymisierte Daten wieder bestimmten Patienten zugeordnet werden können. Auch ist umstritten, ob die Zustimmung der Versicherten zur Datennutzung nur für bestimmte Forschungsvorhaben oder für alle Forschungsprojekte gilt.