Laut einem Urteil des Bundessozialgerichts kann man Kindergeld für sich selbst nur dann beanspruchen, wenn man Vollwaise ist oder den Aufenthaltsort der Eltern nicht kennt. “Kein Kindergeld beanspruchen kann ein Kind, wenn es gelegentlich mit seiner Mutter im Ausland telefonieren und sich dabei nach ihrem Aufenthaltsort erkundigen kann”, entschied das Bundessozialgericht am Donnerstag in Kassel. Ein in Deutschland lebender 22-jähriger syrischer Flüchtling hatte Kindergeld für sich selbst beantragt mit der Begründung, er kenne den Aufenthalt seiner Mutter nicht.
Der junge Mann, dessen Vater kurz nach seiner Geburt starb, war 2015 aus seinem syrischen Heimatort nach Deutschland geflohen. Ende 2017 hatte sich auch seine Mutter mit der Familie auf die Flucht begeben und zunächst jeweils nur für kurze Dauer an verschiedenen Orten in Syrien gelebt, zuletzt in der Nähe von Damaskus. Über ihren ungefähren Aufenthalt konnte der junge Mann sich monatelang nur über seinen in Katar lebenden Bruder informieren. Später war es ihm möglich, hin und wieder über das Internet mit seiner Mutter zu telefonieren. In seinem Kindergeldantrag hatte er von zwei bis drei Telefonaten monatlich gesprochen.
“Dadurch hatte er zumindest die zumutbare Möglichkeit, sich nach dem aktuellen Aufenthaltsort seiner Mutter zu erkundigen”, betonte das Gericht. “Ein Kind kennt den Aufenthalt seiner Eltern, wenn es weiß, an welchem für ihn bestimmbaren Ort sich seine Eltern oder zumindest ein Elternteil aufhalten”, erläuterten die obersten Sozialrichter. Auf die Kenntnis einer postalischen Adresse oder eines “verstetigten Aufenthalts” komme es dagegen nicht an. Denn seit Einführung des Kindergelds für “alleinstehende Kinder” 1986 hätten sich die Kommunikationsmöglichkeiten durch Internet und Mobilfunk grundlegend verändert.
Für die erforderliche Aufenthaltskenntnis genüge es zudem, wenn es dem Kind zumutbar sei, Kontakt mit seinen Eltern aufzunehmen. “Die Kenntnis fehlt erst dann, wenn Dauer und Ausmaß der Unkenntnis über den Verbleib der Eltern den endgültigen Verlust der Eltern-Kind-Beziehung wie bei einer Vollwaise befürchten lassen”, heißt es im Urteil. Zuvor hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Familienkasse der Arbeitsagentur noch verurteilt, dem Kläger Kindergeld für September 2018 bis Juni 2019 zu zahlen. Mit ihrer Revision hatte die Arbeitsagentur nun Erfolg.