Deutlich appelliert nun auch die Bundesregierung an Israel, die Hilfe für Gaza schnell auszuweiten. Vize-Regierungssprecher Hille und die Entwicklungsministerin pochen auf unverzügliche Lieferungen. Das Leid müsse enden.
Seit Monaten leiden die Menschen im Gazastreifen unter israelischen Bomben, Hunger, fehlender Versorgung und Terrorherrschaft der Hamas. Nach Aufhebung der völligen Blockade lässt Israel nur ungenügende Lieferungen von Lebensmitteln und Medizin zu – aus Angst, sie könnten der Hamas nutzen. Hilfsorganisationen sind empört und fordern uneingeschränkten Zugang. Nun schaltete sich auch die Bundesregierung ein.
“Wir sehen Israel da ganz klar in einer Verantwortung, der Israel nachkommen muss”, sagte Vize-Regierungssprecher Sebastian Hille am Freitag in Berlin. Die Hilfe müsse dringend ausgeweitet werden. Sie sei viel zu wenig, komme zu spät und zu langsam. Israel müsse dafür sorgen, “dass das Leid in Gaza ein Ende hat”, so Hille.
Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) rief zu verstärkten Bemühungen um einen Waffenstillstand auf. Die Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen und die israelische Regierung unverzüglich ihre humanitäre Verpflichtung erfüllen und ungehinderte Lieferungen von Hilfsgütern in den Gazastreifen lassen. Über 2 Millionen Menschen drohten zu verhungern, besonders Kinder litten unter dem Krieg. “Der besondere Schutz von Kindern in Kriegen ist keine Verhandlungssache, sondern eine völkerrechtliche Verpflichtung”, mahnte die Ministerin.
Das katholische Hilfswerk Caritas international erklärte, den Menschen in dem schmalen Landstreifen fehle es an allem. “Ein Großteil der Kinder dort hungert, zwei Millionen Menschen und damit die gesamte Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen”, schrieb Leiter Oliver Müller in einem Gastbeitrag für “Die Tagespost” (Freitag). “Doch seit zwei Monaten sind die Grenzen für dringend benötige Hilfslieferungen geschlossen.”
Die von den USA und Israel beschlossene Methode, Hilfe für Gaza ausschließlich über einen durch das israelische Militär kontrollierten Mechanismus zu koordinieren, könne weder gewährleisten, “dass Menschen in Not ausreichend versorgt werden, noch entspricht der Verteilungsmechanismus den im Völkerrecht vorgeschriebenen humanitären Prinzipien von Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit”.
Die zuständige israelische Behörde Cogat teilte am Freitag mit, am Donnerstag seien 107 LKW mit Lieferungen in den Gazastreifen gefahren – nach Einschätzung der Helfer viel zu wenig für die mehr als zwei Millionen Menschen in dem Gebiet.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warf Israel eine kollektive Bestrafung der Bevölkerung im Gazastreifen vor. Die EU, darunter auch Deutschland, müssten viel mehr Druck auf die israelischen Behörden ausüben, sagte Nothilfekoordinator Franz Luef im Deutschlandfunk nach sieben Wochen Einsatz vor Ort. Israel sei als Besatzungsmacht dazu verpflichtet, die Grundversorgung der Menschen sicherzustellen.
Luef beschrieb Situationen, in denen die Helfer hungernde Mütter mit Kindern abweisen mussten, weil die verfügbaren Vorräte nicht ausreichten: “Es zerreißt mir das Herz”, sagte er. “Das sind unmögliche Entscheidungen, die unser Team tagein, tagaus treffen muss.” Es mache wütend, “dass es uns nicht erlaubt ist, hier unsere Arbeit machen zu können und dass die internationale Gemeinschaft hier zusieht”.
Unterdessen gibt es Berichte über neue israelische Angriffe auf den Gazastreifen. Dabei seien seit der Nacht auf Freitag mindestens 28 Menschen getötet worden. Dutzende weitere Menschen wurden verletzt, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf medizinische Kreise meldete. Israels Armee teilte mit, Soldaten gingen gegen “Terrororganisationen im gesamten Gazastreifen” vor.