In einigen der in diesem Werk gesammelten neun Erzählungen kehrt Autor Ralf Rothmann zu seinen Anfängen zurück – zum Anfang seines Lebens und zum Anfang seines Schreibens: ins Ruhrgebiet. Dort ist er aufgewachsen, und dort spielen einige seiner frühen Romane. Auch im aktuellen Buch zeigt er vor dem Hintergrund des schweren, oft ärmlichen Lebens im Ruhrpott während der 1950er und 1960er Jahre die Sehnsucht nach Freude, nach Schönheit und nach Liebe.
Socke, der auf einer Schulbaustelle von Gleichaltrigen und Lehrmeistern gemobbte Betonbauer-Lehrling, der keinen Freund und keine Freundin hat und dessen Mutter sich nicht um ihn kümmert. Er weint aus Sorgen um seinen Hund, das einzige lebendige Wesen, dem er sich verpflichtet fühlt, das er gern hat.
Suche nach dem Sinn des Lebens
Hoffnungslos beantworten Rothmanns Protagonisten die Frage nach dem Sinn des Lebens. So resümiert der Endfünfziger Willi, Bauarbeiter, verwitwet: „Du glaubst ein Leben lag, das beste passiert noch, und dann drehst du dich um und siehst: Das war´s schon! Sogar die guten Momente sind immer nur Momente.“
Auch der Glaube hilft nicht zuverlässig, der Verzweiflung, dem Gefühl von Sinnlosigkeit zu entgehen. Pfarrer Thomsen bringt kein echtes Gebet für seine achtjährige todkranke Tochter zustande. Es bleiben leere Worte, „der Raum hinter dem Wortlaut blieb verschlossen“.
Die vielleicht schönste Erzählung „Schimmel in der Orgel“ bringt zwei Beispiele gelingenden Lebens: ein Organist und ein Maler, beide aus dem Ruhrgebiet stammend, wollen im Alter ein Unrecht bereinigen, das sie als Kinder aneinander begangen haben.
Im Zusammenhang mit den anderen Erzählungen belegt gerade dieser Text über Erinnern, Vergessen, über das Verlangen nach Aufrichtigkeit –vielleicht vom Autor unbeabsichtigt – wie schwer die inneren und äußeren Bedingungen für Menschen waren. Die, obwohl sie körperlich hart arbeiten mussten, es nie zu ausreichend Geld bringen würden und keine Aussicht hatten, diese Bedingungen jemals zu ändern.
Ralf Rothmann, Museum der Einsamkeit, Suhrkamp Verlag, Berlin 2025, 267 Seiten, 25 Euro.