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Brückenbauer treffen sich in Tübingen

Seit mehr als zwei Jahrzehnten treffen sich christliche und muslimische Theologen alljährlich zum „Building Bridges Seminar“ und tauschen sich über theologische Themen aus. Nach Washington, Istanbul, Sarajevo, Rom und Doha findet das Seminar dieses Jahr erstmals in Tübingen statt.

Als „große Ehre für unser Zentrum und unsere Universität“ bezeichnet Professorin Lejla Demiri, die Leiterin des Zentrums für Islamische Theologie (ZitH) der Universität Tübingen, das Building Bridges Seminar, das am Dienstagabend mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung begann. Tübingen mit seinem „Campus der Theologien“ sei dafür geradezu prädestiniert, so Demiri.

Bis Samstag kommen 32 Wissenschaftler und Theologen aus der ganzen Welt, die von der Georgetown Universität Washington ausgewählt wurden, zum Thema „Belongings“ ins Gespräch. Wie definieren Christen und wie Muslime jeweils ihre Zugehörigkeit? Was macht ihre religiöse Identität aus? Diese Frage diskutieren die christlichen und muslimischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer anhand ausgewählter Texte aus dem Koran, der Bibel sowie theologischen und historischen Werken. Dabei treten die Teilnehmer in einen intensiven Dialog. „Wir führen täglich von morgens 9 Uhr bis abends um 19 Uhr interreligiöse Gespräche“, erklärte Lea Schlenker vom Tübinger Organisationsteam.

Zum 23. Mal und erstmals in Tübingen findet das Building Bridges Seminar statt, das im Jahr 2002 von George Carey, dem damaligen Erzbischof von Canterbury, ins Leben gerufen worden war als Reaktion auf die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001. Das erste Treffen fand im Lambeth Palast in London statt. Seit 2012 liegt die Leitung der Initiative bei der Georgetown Universität in Washington.

Seither findet das Seminar alle zwei Jahre in Washington und in den Zwischenjahren in wechselnden Städten statt: mal in Doha/Katar, wo die Georgetown Universität eine Dependance unterhält, mal in Istanbul, Rom, Genf oder Sarajevo. Bereits für das Jahr 2020 war Tübingen als Veranstaltungsort geplant gewesen, dieses Treffen fiel dann aber wegen des Corona-Lockdowns aus.

Zum Auftakt des Seminars erläuterten zwei Gastredner eine christliche sowie eine muslimische Perspektive. Youshaa Patel, Professor für Religiöse Studien am Lafayette College in Pennsylvania berichtete, wie ihn frühkindliche Erfahrungen der Ausgrenzung als Muslim in Schottland geprägt haben. Das Gefühl des Andersseins begegnete ihm 20 Jahre später wieder in einer Moschee in den USA, wo der Imam dazu aufrief, dass „Muslime anders sein müssten“.

Catherine Cornille, Professorin für Komparative Theologie am Boston College, zeigte auf, wie unterschiedlich christliche Identitäten sein können und wie sich die Kriterien für Zugehörigkeit im Laufe der Zeit verändert haben. So gebe es neben der Taufe, die lange als unabdingbar für die Zugehörigkeit zum Christentum galt, mittlerweile auch andere Formen.

Aus Australien war Reverend Daniel Madigan angereist. Der Jesuit und Professor für interreligiöse Theologie an der Australischen Katholischen Universität hat schon an einigen Building Bridges Seminaren teilgenommen. „Der interreligiöse Dialog hat meinen Glauben geformt und geschärft“, berichtete er. Er empfindet die Dialoge mit Muslimen als bereichernd. „Ich nehme die Kritik ernst, die Muslime am Christentum äußern – zum Beispiel an der Dreieinigkeit und der Kreuzigung. Dadurch bin ich selbst bestärkt worden in meinem Glauben an den Kreuztod und die Trinität.“

Erstmals als Teilnehmerin war Amina Nawaz aus Istanbul angereist. Die junge Wissenschaftlerin arbeitet an der Bogazici-Universität. „Ich freue mich auf sehr tiefe und herausfordernde Gespräche und viele gute Fragen“, sagte Nawaz. Auch Muthuraj Swamy von der Universität Cambridge ist dieses Jahr zum ersten Mal dabei. Er ist Direktor des Centre of Christianity Worldwide und erfahren im interreligiösen Dialog mit Muslimen und Hindus. Er hofft, beim Seminar sein interreligiöses Netzwerk durch neue Kontakte erweitern zu können. (1387/11.06.2025)