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Brosius-Gersdorf kandidiert nicht mehr für das Verfassungsgericht

Die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf hat ihre Kandidatur zur Bundesverfassungsrichterin zurückgezogen. In einer Stellungnahme begründete sie die Entscheidung mit Äußerungen aus der Unionsfraktion im Bundestag. Man habe ihr signalisiert, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei. „Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab“, schrieb Brosius-Gersdorf in einer am Donnerstag verbreiteten Stellungnahme. Der Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) erklärte, dass der Entscheidung von Brosius-Gersdorf „größter Respekt“ gelte.

Brosius-Gersdorf erklärte, sie wolle auch verhindern, „dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind“. Die Potsdamer Juraprofessorin war von der SPD als Richterin für das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden. Die Nominierung erfolgte in Absprache mit den Koalitionspartnern CDU und CSU. Kurz vor der für den 11. Juli geplanten Abstimmung im Bundestag wurde jedoch in der Unionsfraktion Kritik an Brosius-Gersdorf laut, insbesondere mit Verweis auf ihre Position zum Abtreibungsrecht. Die Abstimmung über die Juristin sowie eine weitere Kandidatin und einen Kandidaten für das Verfassungsgericht wurde daraufhin kurzfristig abgesetzt.

Brosius-Gersdorf macht in ihrer Erklärung, die von einer Bonner Anwaltskanzlei versendet wurde, ihrem Ärger über die Union Luft. Die CDU/CSU-Fraktion habe sich nicht inhaltlich mit ihren Themen und Thesen auseinandergesetzt und sie bis zuletzt nicht zu einer Fraktionssitzung eingeladen. Besonders irritiert zeigte sich die Juristin darüber, dass ihre Haltung zum Schwangerschaftsabbruch als Ablehnungsgrund herhalten müsse – obwohl diese dem Koalitionsvertrag entspreche. Von Abgeordneten, „die für bürgerliche Werte wie Anstand, Respekt und Verantwortungsbewusstsein stehen“, dürfe und müsse man erwarten, dass sie ihre Entscheidungen auf Fakten stützen und nicht auf „ungeprüfte Behauptungen und Stimmungen“, rügte die Verfassungsrechtlerin.

Zugleich übte sie Kritik an Teilen der Medien, die nicht immer sachlich berichtet hätten. Bedrohlich nannte es Brosius-Gersdorf, dass sich in sozialen Netzwerken organisierte Desinformations- und Diffamierungskampagnen „Bahn brechen zur Herzkammer unserer Demokratie, dem Parlament“.

Spahn betonte, dass er die „herabsetzende und beleidigende Kritik“, die Brosius-Gersdorf in den vergangenen Wochen erdulden musste, ausdrücklich verurteile. „Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte“, fügte er hinzu. Nun werde die Fraktion „mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden“.

Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil (SPD) bedauerte den Rückzug und verurteilte die öffentlichen Anfeindungen gegen Brosius-Gersdorf. In Richtung der Koalitionspartner forderte der SPD-Chef: „Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist.“ SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sprach von einem „alarmierenden Signal – nicht nur für die politische Kultur, sondern auch für die Unabhängigkeit unserer Institutionen“.