Am Georgstag des Jahres 1516 gab es in Ingolstadt ein Ereignis, das Biertrinker noch immer zu schätzen wissen. Die gemeinsam regierenden Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. erließen in Übereinkunft mit Vertretern der Kirche, des Adels, der Märkte und Städte die Bayerische Landesordnung. In ihr findet sich ein Passus, der für untergäriges Bier die Urformel des heute geltenden „Vorläufigen Biergesetzes“ enthält: „Ganz besonders wollen wir, dass forthin (…) zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.“
Gemeinsame Vorliebe: Bier trinken
Ein Jahr jünger als das vor 500 Jahren verkündete bayerische Reinheitsgebot sind die von Martin Luther aufgestellten Thesen, die die Reformation nach sich zogen. Bayern wurde unter den Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. zum maßgeblichen weltlichen Fürstentum, das den Katholizismus verteidigte. Doch über die konfessionellen Zwistigkeiten hinweg hatten Luther und die bayerischen Herzöge eine gemeinsame Vorliebe: Sie tranken alle gern Bier.
Insbesondere das sehr würzige und starke aus dem südniedersächsischen Einbeck. Zu seiner Hochzeit mit Katharina von Bora ließ Luther gleich mehrere Fässer des „Ainpöckisch Bieres“ kommen, über das er bereits auf dem Wormser Reichstag 1521 gereimt hatte: „Der beste Trunk, den einer kennt, der wird Ainpöckisch Bier genennt.“ Aber auch das von seiner Gattin im eigenen Brauhaus hergestellte Bier wusste der Reformator zu schätzen: „Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier, und das Reich Gottes kommt von ganz allein.“ Das Brauen hatte Katharina im Kloster gelernt.
Katharina lernte Bier brauen im Kloster
Übrigens setzten auch die bayerischen Herzöge später auf Eigenproduktion: 1589 eröffneten sie ihr Hofbräuhaus. Um nicht länger das „Ketzerbier“ aus dem seit 1529 protestantischen Einbeck trinken zu müssen, warben sie von dort den Braumeister Elias Pichler ab. Und so wird seit 1614 in München Bier nach „Ainpöckisch Art“ gebraut, „Bock“ genannt.
Das Jubiläum des Reinheitsgebots wird mit Sonderausstellungen begangen. Rainhard Riepertinger ist Kurator der in Aldersbach stattfindenden Landesausstellung „Bier in Bayern“. Riepertinger betont, dass die Klöster einen grundlegenden Beitrag zur Braukunst geleistet haben. Unter den Mönchen gab es die ersten Spezialisten des Brauwesens. Nahrhaftes Bier war gefragt, denn „Flüssiges bricht das Fasten nicht“.
Die ersten mittelalterlichen Zeugnisse des Bierbrauens im deutschsprachigen Raum beziehen sich auf das Kloster Sankt Gallen. Im dortigen Stiftsarchiv wird die anno 754 verfasste und damit älteste datierte Bierurkunde aufbewahrt, während die Stiftsbibliothek den berühmten St. Gallener Klosterplan hütet.
Diesen Idealentwurf zeichneten um 830 Mönche auf der Bodenseeinsel Reichenau als Geschenk für St. Gallen. Er sieht 52 Gebäude vor, unter denen sich gleich drei Brauereien befinden. Seit vier Jahren wird in Baden-Württemberg daran gearbeitet, ihn gebaute Realität werden zu lassen. Die Klosterbaustelle in der Nähe von Meßkirch heißt „Campus Galli“.
Die älteste noch praktizierende Klosterbrauerei der Welt liegt am Eingang des Donaudurchbruchs in Bayern. Um 1050 übertrug Benno ein Gut als Seelenheilsstiftung an das Kloster Weltenburg. Das Gut wollte er weiterhin nutzen. Zu dem von ihm dafür entrichteten Jahreszins gehörten acht Scheffel Malz. Daraus wird auf die Bierproduktion der Mönche geschlossen. Das heutige Erscheinungsbild der Benediktinerabtei geht auf Baumaßnahmen des 18. Jahrhunderts zurück. Ihr Höhepunkt ist die ab 1720 von Cosmas Damian Asam und seinem Bruder Egid Quirin ausgeschmückte Klosterkirche, deren Patron der heilige Georg ist.
München als „globale Biermacht“
Zur Finanzierung des Kirchenbaus trugen nicht zuletzt die Einnahmen aus dem Verkauf des Klosterbieres bei. Besondere Spezialität sind noch immer würzige dunkle Sorten. Weltenburg war 1803 wie die anderen Klöster des Landes vom bayerischen Staat säkularisiert worden, wurde jedoch 1842 von König Ludwig I. wiederbegründet.
In der Säkularisierungswelle von 1803 wie auch in der Einführung der Gewerbefreiheit 1868 sieht Ursula Eymold wesentliche Voraussetzungen für den Aufstieg Münchens zur „globalen Biermacht“. Sie ist Kuratorin der Schau „Bier.Macht.München“ im dortigen Stadtmuseum. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der letzten 200 Jahre. Doch auch die vorangegangenen Jahrhunderte werden beleuchtet. So ist etwa die Zunftlade (17. Jahthundert) der Münchner Brauer ausgestellt. Sie ist dem heiligen Bonifatius geweiht, der die Arbeit des Brauens unterstützen und beschützen möge. Bis heute erneuern beim alle zwei Jahre stattfindenden Brauertag die Direktoren der sechs Münchner Großbrauereien ihren Braueid auf die Einhaltung des dem bayerischen vorausgegangenen Münchner Reinheitsgebotes vor der aufgeklappten Zunftlade. Zwei der Großbrauereien gehen auf klösterliche Braustätten zurück: Paulaner und Augustiner.
Um zu unterstreichen, dass die Bierkultur untrennbar mit ihren klösterlichen Wurzeln verbunden ist, wird die Landesausstellung „Bier in Bayern“ in Aldersbach gezeigt. Schauplatz ist das ehemalige Zisterzienserkloster, in dessen Gebäuden ebenso die Brauerei Aldersbach residiert. Eine Attraktion ist die Klosterkirche „Mariä Himmelfahrt“, die ab 1720 von den Brüdern Asam ausgeschmückt wurde. Bier wird seit 1268 im Kloster gebraut.
Die 1803 an den Staat gefallene Klosteranlage wurde 1811 an die Freiherrenfamilie von Aretin verkauft, die die Brauerei noch heute führt. Anlässlich der Landesausstellung wurden dort zwei ganz besondere Biere gebraut: das kräftige „Konventbier“ und das leichtere „Pfortenbier“. Der Clou daran ist, dass das Brauwasser nicht nur aus Aldersbach stammt, sondern auch von elf bayerischen Klosterbrauereien geliefert wurde.