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Bombendrohung – Ein seltsam stiller Tag rund ums Oktoberfest

Ein ungewöhnlich stiller Tag beim Oktoberfest: Eine Bombendrohung legt die Wiesn lahm. Bedienungen hoffen auf Arbeit, Touristen suchen Trost in Gemeinschaft – und der Wiesn-Pfarrer rät: “Nicht einschüchtern lassen.”

Die Nachricht trifft die Stadt am Donnerstagvormittag wie ein Blitz. Kurz vor 10 Uhr gibt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bekannt, das Oktoberfest müsse geschlossen bleiben. Voraussichtlich bis 17 Uhr. Grund sei eine Bombenwarnung, der die Polizei nachzugehen habe. Möglicherweise gebe es einen Zusammenhang zur Explosion eines Hauses im Münchner Norden, wo ein Großaufgebot von Polizei und Feuerwehr seit den frühen Morgenstunden im Einsatz war. Ein Toter wurde gefunden und zwei Verletzte.

Eine echte Hiobsbotschaft zum Endspurt des größten Volksfestes der Welt! Und ausgerechnet dann, wenn sich nach mehreren regnerischen Tagen endlich wieder der legendäre weiß-blaue Himmel zeigt. Wie schön wäre es jetzt, mittags in einem der Biergärten rund um die großen Zelte zu sitzen und sich bei einer kühlen Maß die Sonne auf den Rücken scheinen zu lassen. Doch während es sonst so gegen 12 Uhr vor allem die Münchner selbst auf die sogenannte Mittagswiesn zieht, ist die U5 diesmal kaum besetzt.

Auf den elektronischen Monitoren in den Abteilen wünscht das Münchner Kindl als Zeichentrickfigur noch “Viel Spaß auf dem Oktoberfest”. Direkt gefolgt von der ernüchternden Nachricht, dass erst einmal Schluss ist mit Jubel, Trubel, Heiterkeit. “Der Personenaustausch an der Station Theresienwiese fällt aus”, so die Durchsage im schönsten Behördensprech. Genau dort, wo sonst die Massen aus der U-Bahn strömen und auf den Rolltreppen den ersten Heimkehrern begegnen – gut gelaunt, mit Lebkuchenherz um den Hals und oft nicht mehr so ganz trittsicher.

Im Umfeld des Hauptbahnhofs und in der Fußgängerzone haben sich unterdessen schon etliche Touristen in Dirndl oder Lederhose in den Traditionsbrauhäusern niedergelassen. Punkt 11.04 Uhr hatten die Smartphones “Gefahrenmitteilung, Mittel” verkündet, und wer sich dennoch zu Fuß zum Haupteingang der Theresienwiese begibt, sieht nur ein riesiges Polizeiaufgebot und weitere Sicherheitskräfte. Abgesperrt ist auch jenes Denkmal, dass an den rechten Terroranschlag vom 26. September 1980 erinnert, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen und 221 schwer verletzt wurden.

Eingefunden haben sich dort nur ein paar Neugierige – und jede Menge Kamerateams. Auf den Gehwegen sind vereinzelt Kellner und Kellnerinnen zu erkennen. Eine von ihnen: Sibylle (32), seit fünf Jahren Wiesn-Bedienung. Um 10.30 Uhr hätte ihr Dienst im Zelt beginnen sollen. Dort, wo sich laut Deko der “Himmel der Bayern” befindet, kann sie jetzt nicht mehr hin. Am Telefon haben ihr Kolleginnen berichtet, dass sie seit dem frühen Morgen Bänke und Tische im Zelt geputzt haben – wie üblich – bis zum Alarm. “Die machen jetzt auch erstmal Mittag”, sagt sie mit leicht angekratzter Stimme. Aufregung? Keine. Aber die Hoffnung, ab dem späten Nachmittag wieder arbeiten zu können: “Es gibt immer Spinner”, so ihr Kommentar. Und tatsächlich: Um 17.30 Uhr soll es wieder losgehen, heißt es kurz vor 16 Uhr.

Sehr viel enttäuschter sind Maryoria und Claudia aus Kolumbien. 15 Tage lang sind die beiden 33-jährigen Frauen schon durch Europa gereist. Am Ende wollen sie sich das Erlebnis gönnen, einmal aufs Oktoberfest zu gehen. Da stehen sie nun in ihren eigens erworbenen bayerischen Outfits und versuchen näher zu ergründen, was denn hier los ist. Helfen kann Gustavo (30) aus Kalifornien, aber gebürtig aus Peru, natürlich in Lederhosen. Oktoberfeste in den USA mag es viele geben, “aber es nicht das gleiche”, versichert er. Der Auto-Fan hat einen Deutschlandtrip inklusive Porsche-Museum hinter sich und erklärt den beiden Frauen nun auf Spanisch, was los ist.

Da haben sich jetzt drei gefunden und leben die Völkerverständigung, für die das Oktoberfest legendär ist, nun eben neben der Wiesn. Den Münchner Pfarrer und Oktoberfestkenner Rainer Maria Schießler dürfte das freuen. Das Miteinander auf dem größten Volksfest der Welt habe Vorbildcharakter, schwärmt er. Die Menschen begegnen dort einander und alle Schranken fallen.

Auch der katholische Schaustellerseelsorger Sascha Ellinghaus findet die Reaktion auf die Bombendrohung “schmerzlich, aber richtig. “Sicherheit geht vor, auch wenn es weh tut.” Genau wie er vertraut auch Schießler auf die Sicherheitsbehörden. Sein Rat: Sich nicht einschüchtern lassen. Letztlich sei man immer in Gottes Hand – auch auf und neben der Wiesn.