Es mal so richtig krachen lassen – für viele gehören Silvesterfeuerwerk und Böller zum Jahreswechsel dazu. Dabei wächst seit Jahren die Zahl derer, die sich dagegen aussprechen.
Seit Jahrhunderten machen Menschen in der Silvesternacht Lärm, um böse Dämonen zu vertreiben und das neue Jahr willkommen zu heißen. Dabei scheint es, als würden durch Böller und Raketen böse Geister – randalierende Horden, Müll, Umweltbelastungen, verletzte Menschen und Tiere – erst auf den Plan gerufen. Für Polizei, Rettungsdienste, Feuerwehr, Umweltverbände und Tierfreunde ist die Sache klar: Auf Böllerei können sie gut verzichten.
Und nicht nur sie. Bei einer deutschlandweiten Repräsentativbefragung der Verbraucherzentrale Brandenburg haben sich in diesem Herbst 53 Prozent der Befragten fast aller Altersgruppen für ein Verbot von privatem Feuerwerk ausgesprochen. Nur eine Mehrheit der 35- bis 49-Jährigen möchte es krachen lassen.
Schon im Dezember 2022 sah die Deutsche Umwelthilfe einen Trend zum Aus für Silvester-Böller und Feuerwerk. Nun hat sie mit einem breiten Bündnis aus Medizinern, Verbraucher- und Tierschutzinitiativen sowie der Gewerkschaft der Polizei die Petition “Böllerciao” für ein Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk gestartet.
In einer Erklärung verweist sie auf “Rekord-Feinstaubbelastungen, Millionen in Panik geratende Tiere, tausende Verletzungen und Tonnen Müll”. Sie fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, den Verkauf und die Verwendung von Böllern und Raketen sofort zu verbieten. Eine umweltfreundliche Alternative könne etwa eine Drohnen-Licht-Show sein – mit spektakulären Bildern ganz ohne Piff und Paff.
Der vergangene Jahreswechsel nach zwei Jahren Corona-Zwangspause mit heftigen Pyrotechnik-Attacken auf Einsatzkräfte habe die Dringlichkeit eines endgültigen Böllerverbots gezeigt. Zudem verweist die Umwelthilfe auf eine bislang unveröffentlichten Studie zu Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper. Demnach mussten deswegen beim vergangenen Jahreswechsel 838 Menschen medizinisch behandelt werden – “ein Anstieg um rund 300 im Vergleich zu den Jahren vor der Corona-Pandemie”. Besonders besorgniserregend sei mit 40 Prozent der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen unter den Verletzten.
Einen “traurigen Rekord” verzeichnet auch das Haustierzentralregister Tasso zum Jahresbeginn 2023. Mehr als 1.100 Hunde und Katzen seien um den Jahreswechsel ihren Haltern abhanden gekommen. Während an einem Durchschnittstag 2022 rund 90 Hunde vermisst worden seien, seien es an Silvester und Neujahr zusammen 667 gewesen: “So hoch waren die Zahlen noch nie”.
Nicht nur Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sind auf eine unruhige Silvesternacht vorbereitet. Im Hamburger Tierheim etwa wird das obligatorische Spätdienstteam mit einem Tierpfleger und ehrenamtlichen Helfern verstärkt, die sich um das Wohl der rund 700 Tiere kümmern. Ängstliche und geräuschempfindliche Tiere verblieben um den Jahreswechsel in ihren Innenzwingern, und in den Innenbereichen werde zur Beruhigung auch leise Musik gespielt, erläutert Tierheimleiterin Urte Inkmann. “Manche Tierunterkünfte werden mit Handtüchern oder Laken abgehängt, damit keine Lichtblitze durchdringen.” Um Mitternacht kümmere sich das Team dann um besondere Sorgentiere.
Zudem werde das ganze Gelände inspiziert. “Es könnte ja leider auch passieren, dass Raketen ins Tierheim hineinfliegen und Schäden verursachen”, sagt Inkmann. So wie im Krefelder Zoo, als an Silvester 2019/20 eine Himmelslaterne einen verheerenden Brand im Affenhaus auslöste, bei dem rund 50 Tiere starben. Immerhin ist nun nach deren Nutzung auch der Verkauf verboten. Auch Inkmann hat vor Jahren von einem tödlichen Unglück gehört: “Böller flogen in einen Kaninchenkäfig, und die armen geräuschempfindlichen Tiere starben vor Schreck”.
Um das Silvester-Leid von Heim- und Wildtieren sichtbar zu machen, hat die Stiftung “Vier Pfoten” nun eine Plattform freigeschaltet. Dort können Tierhalter ihre persönlichen Erfahrungen übermitteln, “bei denen ihren Tieren oder ihnen selbst Leid durch Feuerwerkskörper widerfahren ist”, wie es in einer Mitteilung heißt.
Auch der bayerische Naturschutzverband LBV ruft aus Vogelschutzgründen zum Feuerwerksverzicht auf. “Vögel reagieren stark auf Böller und Raketen an Silvester. Sie fliegen in großen Höhen von über 1.000 Metern, landen für lange Zeit nicht und kehren nur zögerlich zu ihren Rast- und Schlafplätzen zurück”, heißt es. Die nächtliche Flucht koste die Tiere wertvolle Energie, die sie in kalten Winternächten zum Überleben bräuchten.
Kirchliche Hilfswerke appellieren schon seit vielen Jahren, die Ausgaben für Pyrotechnik lieber notleidenden Menschen zu spenden, statt das Geld für den kurzen Kick zu verpulvern. Unter dem Motto “Brot statt Böller” ruft das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt bereits seit 1982 zu Spenden und zum Verzicht auf Feuerwerk auf.