Die Siegessäule ist eines der wichtigsten Wahrzeichen Berlins. Errichtet wurde sie zur Erinnerung an deutsche Siege in Kriegen gegen Nachbarländer: gegen Dänemark, Österreich und Frankreich zwischen 1864 und 1871. Aber das scheint in Vergessenheit geraten: Heute verbinden Besucher mit ihr eher ein atemberaubendes Panorama und Massenveranstaltungen wie die Love-Parade, die viele Jahre lang an der Siegessäule vorbeiführte. Jetzt wird sie 150: Am 2. September 1873 wurde die 69 Meter hohe Säule eröffnet.
„Cool“, sagt ein kleiner Junge, der an diesem Sommertag mit seiner Familie die Säule am Großen Stern im Berliner Tiergarten besucht. Sein Bruder findet den Goldglanz der Kanonen beeindruckend und der Vater nennt die Siegessäule „schick“. Sie sei ein Ausrufezeichen in der Mitte von Berlin.
Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler (1930-2017) kritisierte das Denkmal einst mit harschen Worten: Die Siegessäule „mit ihren blutrünstigen Reliefs und eingelassenen Kanonenrohren, mit denen die Preußen auf Württemberger, Österreicher, Hessen und Franzosen schossen“, sei das „das dümmste Monument der Republik“.
Die Franzosen wollten sie abreißen
In der Sommersonne glänzen die vergoldeten Kanonenrohre ebenso wie die geflügelte Figur an der Spitze, die in Berlin „Goldelse“ heißt und die Siegesgöttin Viktoria darstellen soll. Um die Mitte des Säulenumgangs zieht sich ein Mosaikfries mit kriegerischen Szenen. Der preußische König und spätere Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) gab die Siegessäule als Nationaldenkmal für die sogenannten Einigungskriege in Auftrag, die der Gründung des Deutschen Kaiserreichs als Nationalstaat 1871 vorangegangen waren.
Ursprünglich stand sie auf dem Platz vor dem späteren Reichstagsgebäude. Erst während der NS-Zeit wurde sie an ihren jetzigen Standort verlegt: Hitlers Chefarchitekten Albert Speer störte sie bei seinen Plänen für die Umgestaltung Berlins.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sprach sich Frankreich dafür aus, die Siegessäule abzureißen. Dass es nicht dazu kam, erklärt der Politologe Martin Gegner vom Wissenschaftszentrum Berlin mit dessen Rolle als schwächstem Partner der Alliierten. Die kriegerischen Reliefs aus dem Säulenumgang wurden aber nach dem Krieg abgenommen und nach Paris gebracht. Erst zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 kehrten sie zurück.
Eine Ausstellung im Sockel der Siegessäule reiht sie ein in Wahrzeichen anderer Städte wie das römische Kolosseum, den Pariser Triumphbogen, den Londoner Big Ben und den Schiefen Turm von Pisa. In einer Vitrine werden die David-Statue aus Florenz und der Berliner Fernsehturm als Plastik-Souvenirs gezeigt. In einem anderen Raum heißt es auf einer Erklär-Tafel, das Entstehen eines Nationalbewusstseins habe den Wunsch gefördert, die Ziele der Nation in sichtbaren Denkmälern auszudrücken.
Politologe Gegner findet es bedenklich, dass die historische Bedeutung des Denkmals in den Hintergrund getreten ist. In Stellungnahmen des Bundestages werde zwar darauf eingegangen. „Aber es wird auch der Mythos fortgesponnen, dass die Reichseinigung nur in der von Bismarck vorgesehenen Weise möglich war, mit Blut und Eisen und über Kriege.“ Eine Reichseinigung auf demokratischem Weg mit einer parlamentarischen Monarchie habe Wilhelm I. abgelehnt.
Schauplatz für Barack Obama und Bruno Ganz
Ein richtiges Nationaldenkmal ist die Siegessäule nie geworden: Ihre Bedeutung sei durch die Errichtung von mehr als 200 weiteren Denkmälern allein in Berlin innerhalb eines Jahrzehnts entkräftet worden. Wenig später habe es überdies einen „regelrechten Boom“ an Denkmälern für Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) gegeben, erklärt Gegner. In der Gegenwart hätten Ereignisse wie Barack Obamas Rede von 2008 als Präsidentschaftskandidat an der Siegessäule vor 200.000 Menschen deren eigentliche historische Bedeutung in den Hintergrund treten lassen.