Der leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, hat sich zum Umgang mit dem Begriff „Völkermord“ im Kontext des Gaza-Krieges geäußert. „Ich bin persönlich der Überzeugung, dass der umstrittene Begriff des Genozids oder des Völkermords aus deutscher Sicht für mich nicht benutzt werden kann und darf“, sagte der Theologe am Samstag bei der VELKD-Synode in Dresden vor Journalisten.
Auslöser war die Verwendung des Begriffs durch den palästinensischen Bischof Sani Ibrahim Azar in einem Gottesdienst in Jerusalem. Meister unterstrich, Azar dürfe diesen Begriff als Beschreibung seiner persönlichen Erfahrungen benutzen. Eine Person, „die staatenlos ist und eine Kirche leitet, die seit vielen Jahrzehnten individuelle und staatliche Übergriffe erlebt hat und sich in einer Situation befindet, in der in den besetzten Gebieten massive Rechtsverstöße gegenüber palästinensischen Bevölkerungen stattfinden“, dürfe infolge des Gaza-Kriegs von Genozid sprechen, sagte der hannoversche Landesbischof.
Azar hatte in seiner Predigt im internationalen Gottesdienst zum Reformationstag in Jerusalem mit Blick auf die Lage in den palästinensischen Gebieten gesagt: „Aber wie sieht Reformation nach zwei Jahren Völkermord aus? Was bedeutet Reformation, wenn wir eine Welt, ein Land betrachten, das so zerbrochen ist?“ Den Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 als Auslöser des Gaza-Kriegs erwähnte er nicht.
Daraufhin verließ der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, den Gottesdienst, den er gemeinsam mit einer Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags besucht hatte. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich, der Begriff „Völkermord“ stehe einer Verständigung und Versöhnung entgegen.
In einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) bedauerte Azar am Freitag die „Irritation“ durch seine Äußerung. Er verstehe, dass der Begriff Völkermord sehr belastet sei und Emotionen hervorrufe, sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Seine Wortwahl sei jedoch keine politische Provokation gewesen, sondern „eine seelsorgerliche Ansprache an meine Gemeinde in Jerusalem, die direkt von dem Konflikt betroffen ist“.