Bistum Fulda zahlt mehr als 500.000 Euro an Betroffene sexuellen Missbrauchs: Bischof Gerber betont persönliche Verantwortung – und kritisiert Amtsvorgänger Dyba. “So geht das nicht.”
Das Bistum Fulda hat mehr als 500.000 Euro an Betroffene sexuellen Missbrauchs gezahlt. Das teilte die Pressestelle am Donnerstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Der Fuldaer Bischof Michael Gerber kritisierte in dem Zusammenhang den früheren Erzbischof Johannes Dyba für dessen Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche. Er sei auf Menschen gestoßen, die ihm von erlittenem Leid durch das Verhalten Dybas berichteten, sagte er – und monierte unter anderem, dass dieser das Thema Missbrauch delegiert habe.
“Ich habe als Bischof eine Letztverantwortung und vor allem auch eine moralische Verantwortung für solche Vorgänge – und ich habe die Pflicht, mich informieren zu lassen über derartig gravierende Personalvorgänge”, betonte Gerber. Der Bischof äußerte sich eine Woche nach der Präsentation eines Abschlussberichts über Missbrauchsfälle zwischen 1945 und 2024.
Demnach gab es seit 1945 mindestens 120 mutmaßlich Betroffene von sexuellem Missbrauch und 37 mutmaßliche Täter. Mit Blick auf Erzbischof Dyba, der das Bistum von 1983 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 leitete, bilanzierte die Aufarbeitungskommission, dass es zwar Hinweise, aber keine “manifesten Belege” dafür gebe, dass er etwa an der Versetzung von Missbrauchsbeschuldigten aktiv beteiligt war.
Vielmehr hätten die jeweiligen Bischöfe von 1977 bis 2003 die gesamte Personalverantwortung in die Hände von Weihbischof Johannes Kapp gegeben, der während dieser Zeit Personalchef des Bistums war. Dieses Vorgehen erzeugt beim heutigen Bischof Unverständnis: Delegation sei ein wichtiges Führungsinstrument, doch so wie es im Bistum Fulda offenbar gehandhabt wurde, “geht und ging das nicht.”
“Dieses Thema bleibt Chefsache. Ich habe Verantwortung übernommen – und ich werde sie auch weiterhin wahrnehmen”, so Gerber auf Anfrage der KNA. “Mir ist bewusst, dass Vertrauen nicht einfach eingefordert werden kann. Es wächst nur durch konsequentes, glaubwürdiges Handeln – Schritt für Schritt.” Nach seinen Angaben wurden bis Juni an 26 Personen Leistungen in Höhe von rund 513.500 Euro gezahlt – im Durchschnitt 19.750 Euro pro Person.
Gerber konstatierte zudem ein systemisches Versagen der Kirche. Es gelte, strukturelle Schwächen zu erkennen, zu benennen und zu verändern; dies sei die Verantwortung des Bistums insgesamt und des Bischofs persönlich, so Gerber. Gespräche mit der Aufarbeitungskommission, die den Bericht für das Bistum erarbeitete, sollen zeigen, welche konkreten Maßnahmen getroffen werden können.
Er berichtete, dass er während seiner bisherigen Amtszeit bereits sechs Priester aus dem Dienst nehmen musste – darunter auch zwei wegen sexualisierter Gewalt. In mehreren Fällen lagen bereits während der Ausbildung Hinweise vor, die nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nun sei entscheidend, wie das Bistum mit den Erkenntnissen aus dem Bericht umgehe.
“Und wir werden notfalls – wie bereits in den vergangenen Jahren – auch vor harten Personalentscheidungen nicht zurückschrecken”, sagte Gerber der KNA. “Missbrauchsbegünstigende Strukturen bestehen fort” im Bistum Fulda, heißt es unter anderem im Bericht – dies sei bei den Entscheidungen über Konsequenzen zu bedenken. Der Bischof verwies explizit auf die Personalpolitik und Schulungs- sowie Fortbildungsveranstaltungen für kirchlich Beschäftigte.
“Wir werden an unserem Handeln in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren gemessen”, sagte Gerber. Wer etwa Strukturen schaffe, die Überforderung reduzierten und Selbstwirksamkeit ermöglichten, schütze damit auch vor einem Missbrauch von Macht, so der Bischof. Er verwies auf die Einführung von Verwaltungsleitungen in Großpfarreien sowie die Förderung teamorientierter Leitungsmodelle.
Pfarrer würden so von Bürokratie entlastet und Leitungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt. Die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung kann laut Gerber helfen, die eigene Lebens- und Berufssituation realistisch und verantwortungsvoll zu gestalten.
Die Kommission hat im Bericht auch Vorschläge zur Fortführung der Aufarbeitung festgehalten. Ihr Auftrag endet laut Bistum im September. “Aber wie schon geschildert, geht die eigentliche Arbeit ja jetzt erst los”, sagte Gerber der KNA. In welcher Struktur, sei noch zu entscheiden.