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Betroffenen-Sprecher Zander: Kirche fehlt der Wille zur Aufklärung

Der Sprecher der Betroffenen sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Detlev Zander, hätte sich nach Veröffentlichung der ForuM-Missbrauchsstudie Ende Januar einen Ruck in der Kirche gewünscht. Der sei aber ausgeblieben, sagte Zander, der auch Sprecher des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt (BeFo) der EKD ist, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Thema Missbrauch werde „weiterhin schnell wegmoderiert“, in den meisten Kirchengemeinden werde es gar nicht thematisiert: „Der Kirche fehlt der wirkliche Wille zur Aufklärung.“

Dennoch werde er nicht lockerlassen, betonte Zander, der im niederbayerischen Plattling lebt. Am 22. April sei er eingeladen, vor der in Coburg tagenden bayerischen Landessynode zu sprechen. Denn keinem Kind dürfe mehr so etwas passieren wie ihm und den Tausenden anderen Betroffenen. „Das treibt mich an, auch für die kommenden Generationen“, sagte Zander, der als Kind in einem Heim der evangelischen Brüdergemeinde Korntal missbraucht worden war. Dafür müsse sich die Kirche aber strukturell ändern und konsequent ihre Vergangenheit aufarbeiten: „Man kann nicht zukunftsgewandt sein, ohne die eigene Vergangenheit zu kennen.“

Er sei zwar gespannt auf die Reaktionen der Synodalen, rechne aber mit keiner langen Aussprache, sagte Zander, der laut Landeskirchen-Angaben zusammen mit der Missbrauchsbetroffenen und evangelischen Pfarrerin Karin Krapp auftreten soll. Erfahrungsgemäß herrsche bei dem Thema in den Synoden eher Schweigen. Offenbar trauten sich viele nicht, sich zu Wort zu melden. Zugleich warnte er die bayerische Synode vor vorschnellen Entscheidungen und Beschlüssen. Das letzte und entscheidende Wort liegt beim BeFo der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), deren Empfehlungen in die EKD-Synode im Herbst einfließen sollen.

Konkret fordert Zander als Betroffenen-Sprecher von Kirche und Diakonie eine lückenlose Aufklärung von Fällen sexualisierter Gewalt, standardisierte Präventions- und Interventionsgesetze, standardisierte Meldeverfahren und Meldestellen mit nicht kirchlichem Personal. Die Einhaltung dieser Verfahren und Gesetze müsse die EKD kontrollieren. Hierzu müsse der Föderalismus in der Kirche gelockert werden, „da braucht es ein Durchregieren der EKD“, sagte Zander. Die ForuM-Studie habe verdeutlicht, dass die föderalistische Struktur sexualisierte Gewalt und Vertuschung begünstige.

Den Betroffenen gehe es um Gerechtigkeit, betonte Zander. Denn viele in der Kirche würden schnell vergessen, dass hinter jedem einzelnen Missbrauchsfall eine zerstörte Biografie stehe. Die bayerische evangelische Landessynode trifft sich vom 21. bis 25. April in Coburg zu ihrer Frühjahrstagung. (01/1171/12.04.2024)