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Betörendes Grau – Roms Pflastersteine und Wasserspender

Über 65 Millionen Denkmäler bedecken Roms Straßen und Plätze. Die wahren Symbole der Ewigen Stadt zeigen sich fern des populären Terrakotta-Tons. Ihre graue Existenz ermöglicht Rom das Leben.

Sanpietrini: der wohlklingende Name des grauen Kopfsteinpflasters in Rom. Stumm ertragen die kleinen Blöcke aus Vulkangestein tonnenschwere Fahrzeuge und abertausende Touristenfüße im historischen Zentrum der Ewigen Stadt. Dort sind sie mehr als nur ein Straßenbelag; sie gelten als Wahrzeichen wie das Kolosseum und das Pantheon. Einst sollten sie gar den Boden der Sixtinische Kapelle schmücken, besagt eine Legende. Das weist die Dombauhütte von Sankt Peter entschieden zurück. Kein Papst hätte jemals daran gedacht, mit Steinen für den Außenbereich eine päpstliche Kapelle zu pflastern. Dorthin gehöre Marmor.

Dennoch findet der Siegeszug der Steine seinen Ausgangspunkt im Vatikan. Erstmals wurden die Sanpietrini auf dem Platz vor der Basilika San Pietro im 16. Jahrhundert verlegt, daher ihr Name. Kutschen und Pilger sollten sich leichter auf den etwa 12 mal 12 Zentimeter großen Quadern fortbewegen können. Verlegt ohne feste Verfugung auf einem weichen Sandbett passen sich die Steine Unebenheiten des Bodens an und reagieren elastisch auf Belastungen. Aus einem Steinbruch nahe Rom verbreitete sich der praktische Bodenbelag auf den Straßen der Stadt. Rund 65 Millionen Sanpietrini bedecken heute römischen Erde, das entspricht etwa hundert Straßenkilometern.

Aussterbend zwar nicht, dennoch bedroht aufgrund seiner bedingten Eignung für den heutigen Stadtverkehr, existiert in Rom eine Schutzgemeinschaft für den Stein. Denn so mancher Politiker wollte die Stolper- und Rutschfallen durch eine ebenere Asphaltdecke ersetzen. Doch das historische Pflaster sei Teil der lokalen Identität, erklärt die Gründerin des Vereins “Sampietrino”, Valentina Cinelli. Niemand käme jemals auf die Idee, ein Denkmal zu versetzen. Dies gelte auch und umso mehr für die Pflastersteine, die Cinelli als “kleinsten Denkmäler in Rom” bezeichnet. Zudem seien die Sanpietrini sehr viel nachhaltiger als Asphalt, hielten länger bei guter Pflege und benötigten nur kurze Transportwege.

Derzeit stehen in Rom die Zeichen auf Veränderung: die Infrastruktur soll verbessert, das Stadtbild aufgewertet werden. Bislang machen dieses Vorhaben vor allem hunderte Baustellen im historischen Zentrum sichtbar. Statt der Verbannung erleben die historischen Sanpietrini dabei ein Revival, werden neu verlegt oder neu verteilt. Ein millionenschwerer Umzug: viel befahrene Sanpietrini-Straßen werden “entsteint” und erhalten einen Belag aus Asphalt, die Steine werden auf Bürgersteige, in Fußgängerzonen und auf Nebenstraßen verlegt.

Ausgebessert und erweitert wird auch das Netz eines weiteren unscheinbaren römischen Wahrzeichens. Mit genau 150 Jahren zwar weitaus jünger als die Sanpietrini, gelten die grauen Trinkbrunnen ebenso als Symbole der Ewigen Stadt. Aufgrund der charakteristischen Form des Wasserhahns verliehen die Römer ihnen den Spitznamen “Nasoni”, also große Nasen. Insgesamt 3.363 dieser gut ein Meter hohen Trinkwasserspender aus Messing sprudeln auf römischem Stadtgebiet. Durch seinen fortwährenden Fluß ist das Wasser stets frisch und kühl – insbesondere in den heißen Sommermonaten ein Segen für Mensch und Tier.

1874 stellte die Stadt den ersten, damals noch gusseisernen Nasone auf. Angestrebt wurde ein öffentliches Wasserverteilungssystem zur besseren Hygiene und Gesundheit der Bürger, die man gleich nach dem Ende der Papstherrschaft über die Stadt im Sinne des Fortschritts fördern wollte. 150 Jahre später zeigt eine App den Standort des nächstgelegenen Wasserspenders an.

Einzigartig wie das System selbst, ist auch die Art des Trinkens: die Hand verschließt den großen Ausfluss und durch ein kleines Loch schießt das Wasser in einem Bogen aus dem Nasone. Das erfrischende Nass landet elegant italienisch im Mund ohne ein tiefes Bücken unter den Wasserhahn.

Mittlerweile bietet der örtliche Versorger auch Sprudelwasser aus grünen, sogenannten Wasserhäusern an. Doch prägend für Rom bleiben die große Nasen, genauso wie das graue Kopfsteinpflaster. Sie sind die heimlichen Helden unter den vielen Wahrzeichen der Ewigen Stadt. In ihrer grauen Schlichtheit verleihen sie dem gigantischen Kolosseum und dem prachtvollen Petersdom besonderen Glanz und ermöglichen das Leben in Roms Straßen.