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Besonderheiten rund um die Wahlen in den Niederlanden

Nach dem Bruch der Koalition gibt es in den Niederlanden Neuwahlen. Dabei sind dort einige Abläufe anders geregelt als in Deutschland: Es gibt keine Fünf-Prozent-Hürde – und auch in der Karibik wird gewählt.

Nach nur 336 Tagen war die Koalition in den Niederlanden schon gescheitert. Weil ein Zehn-Punkte-Plan für ein strengeres Asylrecht von den Koalitionspartnern nicht mitgetragen wurde, hat Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Partei PVV (Partei für die Freiheit) die Regierung im Sommer verlassen. Nun wählen die Niederländer an diesem Mittwoch die gesetzgebende Zweite Kammer neu – und kommen damit im Vergleich zu Deutschland mit einigen Besonderheiten in Berührung.

Denn anders als hierzulande gibt es in den Niederlanden keine Fünf-Prozent-Hürde, sondern lediglich eine explizite Ein-Sitz-Hürde. Nach den Wahlen von 2023 saßen so gleich 15 Parteien im Parlament; nach der Wahl 2021 sogar 17. Diese Zersplitterung im Parteiensystem hat in der Vergangenheit die Regierungsbildung erschwert.

Und so pilgern die Niederländer nun schon zum neunten Mal in diesem Jahrhundert zu den Urnen einer Parlamentswahl. Nur in Bulgarien (13) und Griechenland (10) wurde in Europa noch öfter gewählt. Den dritten Platz bei den meisten Regierungswahlen seit 2000 teilen sich die Niederlande mit der Republik Moldau, Portugal und Serbien. In Deutschland haben in diesem Zeitraum sieben Bundestagswahlen stattgefunden.

Nicht nur die Festland-Bewohner dürfen an der Wahl teilnehmen, sondern auch die Einwohner der karibischen Inseln Bonaire, Saba und Sint Eustatius. Seit 2010 tragen diese den Status “besondere Gemeinden der Niederlande” und sind eigenständige Inseln innerhalb des Landes. Karibische Vertreter finden sich im niederländischen Parlament in Den Haag; die drei Inseln bilden einen eigenen Wahlkreis.

Allerdings gibt es auch Kritik am Status der Inseln. So rief die Bonaire Human Rights Organization die Inselbewohner diesmal zum Wahlverzicht auf – als Protest gegen ein auferlegtes politisches System, das die Kultur, Identität und Rechte nicht beachte, so die Organisation. Die Struktur als “besondere Gemeinde” und der damit verbundene niederländische Einfluss bringe Teile des Kolonialismus zurück.

Wenn die Wahllokale auf den Inseln geschlossen werden, ist es auf dem niederländischen Festland bereits zwei Uhr in der Nacht. Für die Inseln ist es die fünfte Teilnahme an Wahlen der Zweiten Kammer. Bei den vergangenen vier Durchgängen war die Wahlbeteiligung gering. Bei der Wahl vor zwei Jahren etwa stimmten nur knapp 26 Prozent von den Wahlberechtigten auf Saba ab, gefolgt von Bonaire (etwa 24) und Sint Eustatius (rund 18).

Während in Deutschland viele Wahllokale in Schulen oder Ämtern eingerichtet sind, sind die Orte in den Niederlanden teils kreativ – und sollen mit einer Art Rahmenprogramm Wähler an die Urnen locken. Ein Blick nach Den Haag zeigt stellvertretend die Nutzung von lokalen Möglichkeiten: Im Fußballstadion des Zweitligisten ADO Den Haag können Wähler nach ihrem Kreuz durch den Spielertunnel laufen und sich am Rand des Spielfelds fotografieren lassen. In den Sälen des Kinos “Omniversum” können sich die Wähler nach Stimmabgabe kostenlos einen Film ansehen. Und auch direkt in der Zweiten Kammer ist ein Wahllokal eingerichtet. Im Anschluss wartet dort ein Rundgang durch das Gebäude.

Als kleinstes Wahllokal des Landes gilt das private Wohnzimmer eines Mannes aus dem Dorf Marle in der Provinz Overijssel im Norden des Landes. Damit die ansässigen Wähler nicht den Fluss Ijssel überqueren müssen, kommen die Menschen schon seit 1948 in besagtes Haus, in dem heute Wim Westerhoff lebt. Gegen elf Uhr am Wahltag waren etwa neun Personen gleichzeitig in der Wohnung, sagte er dem Magazin “Trouw”. Draußen warten musste aber noch niemand: “Jeder der möchte, bekommt hier auch einen Kaffee.”