Wenn jemand bei Minustemperaturen im Unterhemd rumläuft, sollten bei allen die Alarmglocken schrillen. „Brauchen Sie Hilfe? Soll ich den Kältebus anrufen? Kennen Sie die Stadtmission? Wissen Sie, wo die Kleiderkammer ist?“, versetzt sich die Pressesprecherin der Berliner Stadtmission, Barbara Breuer, in einen Dialog zwischen einem Obdachlosen und einem Hilfsbereiten. Bloß nicht übergriffig werden, sondern das Gespräch suchen und Bedürfnisse abfragen, rät sie.
Für die Berliner Hilfsorganisationen der Kältehilfe sind solche Situationen Alltag. In der laufenden Kältesaison bis Ende März betreibt die Stadtmission allein drei Notunterkünfte in Berlin und bietet 298 Schlafplätze an, verteilt auf drei Einrichtungen in Moabit in der Lehrter Str. 68 (125 Plätze), in Friedrichshain Am Containerbahnhof 1 (120 Plätze) und in Reinickendorf in der Koppenhagener Str. 29 (53 Plätze). Nicht genug, aus Breuers Sicht. „Immer wieder kommt es zu Überbelegungen in den Unterkünften.“ In der Wintersaison 2022/23 wurden insgesamt 65.331 Übernachtungen registriert.
Zu wenig barrierefreie Einrichtungen
Eine Herausforderung stellt die zunehmende Zahl der Mobilitätseingeschränkten dar, die auf Rollstuhl, Rollator oder Gehhilfe angewiesen sind. Ihre Zahl macht mittlerweile 65 aus. Sie haben zwar beim Einlass in die Notübernachtungen Vorrang, die zwischen 20 Uhr und 8 Uhr geöffnet sind, aber nur eine der drei Einrichtungen sei barrierearm (am Containerbahnhof 1), beklagt Breuer.
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Dass die Zahlen der Obdachlosen aus verschiedenen Nationen insgesamt gestiegen sind, macht sich bei der Kältehilfe deutlich bemerkbar. Breuer führt das unter anderem auf Corona zurück, wodurch Existenzen durch Pleiten oder Trennungen zerstört wurden. Einen weiteren Grund sieht sie in der wachsenden Altersarmut, durch die manchen Rentnern das Geld für das Nötigste fehlt. Und auch das wirkt sich auf die Kältehilfe aus: „Durch die hohen Energiekosten, suchen Menschen in öffentlichen Räumen wie Obdachlosentagesstätten Zuflucht, um zuhause Kosten zu sparen.“
Wie erfolgt die Aufnahme und was erwartet Obdachlose in den Unterkünften? Nach kurzer Untersuchung auf Läuse und Krätze, erfolgt bei Bedarf eine Behandlung zur Bekämpfung des Ungeziefers. Die Neuankömmlinge, meist im Alter zwischen 30 und 50 Jahren und zu 12 Prozent Frauen, haben die Gelegenheit zu duschen, erhalten eine warme Mahlzeit, werden auf Wunsch medizinisch versorgt und können eine Sozialberatung in Anspruch nehmen, werden im Notfall mit Kleidung aus der Not-Kleiderkammer ausgestattet, die aus Spenden bestückt wird. Breuer bittet dringend um Spenden von Männer-Jacken in den Größen S – M – L, Schuhen in den Größen 43 bis 45, Unterwäsche, Schlafsäcken. Spendenwillige verweist sie auf die Homepage, wo genau steht, was die Stadtmission aktuell benötigt.
Ehrenamtliche sind immer willkommen
Zwar schöpft die Kältehilfe für ihre Arbeit aus Töpfen, die von Senat, Bund, EU und aus Spenden gefüllt werden. „Aber Spenden sind für uns nicht kalkulierbar“, gibt Breuer zu bedenken. Altes breche weg, Neues komme hinzu. Die finanzielle Ausstattung für die Arbeit der Kältehilfe bleibt in frostigen Zeiten eine wackelige Angelegenheit. Breuer wünscht sich für die Zukunft neben Spendern, mehr Tageseinrichtungen in der Stadt, wo sich Obdachlose in der kalten Jahreszeit aufhalten dürfen und weiterhin Ehrenamtliche, die die evangelische Stadtmission tatkräftig unterstützt. „Sie müssen nicht evangelisch sein, aber unsere Werte teilen und bereit sein, mit Menschen in schwieriger Lebenslage respektvoll umzugehen.“