Joseph Beuys wollte die Gesellschaft transformieren. Dabei setzte er auf menschliche Kreativität als wichtigstes Kapital. Eine neue Dauerausstellung im “Hamburger Bahnhof” in Berlin belegt seine bleibende Aktualität.
Er war eine Ikone, und er wusste es: Joseph Beuys, der 1921 in Krefeld zur Welt kam, in Kleve aufwuchs und 1986 als weltbekannter Künstler und Aktivist starb, trennte sein Werk nicht von seiner Person. Sein Gesicht, sein Filzhut, seine gesellschaftspolitischen Visionen waren ein Bestandteil desselben.
Das wird auch im Berlin Kunstmuseum “Hamburger Bahnhof” deutlich, wo ab Mittwoch eine umfangreiche Dauerpräsentation der Werke von Beuys zu sehen ist. “Man kann Beuys hier mit neuen Augen sehen und neue Fragen an ihn und sein Werk stellen”, sagte Kuratorin Catherine Nichols am Dienstag vor Journalisten.
Insbesondere die “Plastische Theorie” des Künstlers, mit welcher er die Gesellschaft verändern wollte, lohne eine aktuelle Neubefragung seines Werkes, so Nichols weiter. “Wie sehen wir Transformation heute in Zeiten des Klimawandels?”
Dabei war Beuys seiner Zeit weit voraus. Viele Jahren vor Bio-Supermärkten und E-Autos beschäftigte er sich mit dem Thema alternative Energiegewinnung. Das belegt das Exponat “Capri-Batterie”, das eine gelbe Glühbirne mit einer Zitrone zeigt. Auf die Sonnenwärme richtete Beuys bei dieser Konstellation sein Hauptinteresse. Eigentlich war seine ganze “Plastische Theorie” eine Art “Energieplan”, wie er selbst sagte.
Was bei der Ausstellung nicht erläutert wird: Dieses Energie- und Nachhaltigkeits-Konzept hatte eine spirituelle Basis. Die anthroposophischen Schriften von Rudolf Steiner standen dafür genauso Pate wie esoterisch-ganzheitliche Reflexionen von Goethe und Novalis wie auch die Exerzitien des Ignatius von Loyola, Gründer des Jesuitenordens.
Dass Beuys Materialien wie Filz, Fett und Kupfer mit Vorliebe einsetzte, wird in dem Parcours mit 15 Werken deutlich hervorgehoben. Besonders der “Filzanzug” (1970) an einer Wand der Ausstellung gibt davon ein anschauliches Zeugnis. Doch: War für diese Vorliebe tatsächlich ein Flugzeugabsturz über der Krim verantwortlich, bei dem Krim-Tataren laut Beuys ihn mit Fett eingerieben und in wärmende Decken eingehüllt haben sollen? Die Grenzen zwischen Christentum, Schamanismus und privat-mythologischer Schummelei waren für den Künstler fließend.
Doch Beuys setzte sich auch mit Marx und dem Kapital auseinander, wie die Installation “DAS KAPITAL RAUM, 1970-1977” (1980) zeigt – auf seine ganz eigene Weise. Hier sind unter anderem Tafeln mit Kreidezeichnungen, ein Klavier sowie eine Zinkwanne, Kieselsteine und eine Axt zu sehen. Beuys’ einfache Botschaft: das wahre Kapital ist die menschliche Kreativität. Eine Ansicht, die im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz nicht ohne Bedeutung ist.
Wie ikonographisch Beuys schon zu Lebzeiten war, zeigt das großförmige Porträt, das der Pop-Künstler Andy Warhol von ihm im Jahr 1980 anfertigte. Es gehört auch zu den Exponaten und wirkt wie das visuelle Zentrum der Ausstellung, von dem die gezeigten Werke des Mannes vom Niederrhein nach allen Seiten hin ausströmen.