Lange wurde um das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung gerungen. Das ist inzwischen Geschichte, sagt Historiker Nils Köhler. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg aber bleibt 80 Jahre danach aktuell.
Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin sieht sich gut aufgestellt im Dialog mit den europäischen Nachbarn. “Mit der Eröffnung des Dokumentationszentrums im Jahr 2021 konnte viel Misstrauen abgebaut werden, das dem Projekt zuvor bei den östlichen Nachbarn begegnete”, sagte der Bereichsleiter für Dokumentation und Forschung, Nils Köhler, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Das Zentrum ist im “Deutschlandhaus” untergebracht, einem um 1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit errichteten Gebäude in unmittelbarer Nähe des Anhalter Bahnhofs. Im Mittelpunkt steht das Schicksal von rund 14 Millionen Deutschen aus dem Osten Europas, die infolge des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat verlassen mussten, sowie deren Integration in der Bundesrepublik und der DDR. Das Zentrum informiert zudem über weitere Formen von Zwangsvertreibungen während des 20. Jahrhunderts in Europa sowie aktuell unter anderem aus Syrien und Myanmar.
Die Initiative zu dem Projekt kam vor über 20 Jahren vom Bund der Vertriebenen (BdV) und dessen damaliger Präsidentin Erika Steinbach. Damals stand es unter dem Verdacht, das Schicksal der Vertriebenen einseitig darzustellen und die Verbrechen des NS-Regimes als Ursache zu missachten. Teilweise scharfe Kritik kam unter anderen von Experten aus osteuropäischen Ländern.
Das ist nach Worten von Historiker Köhler lange vorbei. “Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist mittlerweile ein Partner für viele Einrichtungen international.” Immer wieder seien offizielle Regierungsdelegationen insbesondere aus Polen zu Gast. “Die dänische Königin und ihr Sohn, der jetzige König, besuchten das Haus im November 2021 und würdigten damit die enge Kooperation des Dokumentationszentrums mit dem neuen Museum FLUGT im dänischen Oksböl, das 2022 auf dem Gelände eines ehemaligen deutschen Flüchtlingslagers der Jahre 1945 bis 49 eröffnet wurde.” Erst Ende vergangenen Jahres habe man Rumäniens Präsident Klaus Werner Johannis empfangen.
Mit Blick auf das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren sagte Köhler, immer noch gebe es Lücken zur Situation in Ostpreußen in den letzten Kriegsmonaten. “Die Flucht über die Ostsee ist insbesondere durch die Forschungen und Bücher von Heinz Schön und Wolfgang Müller gut dokumentiert.” Anders sehe es bei der Flucht über Land aus. “Wir wissen bis heute viel zu wenig über die Routen und Schicksale unzähliger Flüchtlingstrecks sowie Flüchtlings- und Vertreibungstransporte mit der Bahn. Hierzu erhalten wir immer wieder Anfragen von Familienforschern. Dazu besteht eine echtes Desiderat, auch weil es fast keine amtliche Überlieferung dazu gibt.”