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Bekennen und versöhnen

Die Eröffnung eines Gedenkorts auf dem Gebiet einer früheren Vernichtungsstätte bei Minsk wird zu einem Signal für Versöhnung zwischen Deutschland, Österreich und Weißrussland

MINSK/DORTMUND – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei einem Besuch in Weißrussland der Opfer deutscher Kriegsverbrechen in dem osteuropäischen Land gedacht. Bei der Eröffnung eines Gedenkortes auf dem Gebiet der früheren Massenvernichtungsstätte Maly Trostenez in der Nähe von Minsk (siehe unten) würdigte er zudem die Bereitschaft zur Versöhnung. Der Bau der Gedenkstätte wurde aus Deutschland mit einer Million Euro mitfinanziert. Unterstützung kam dabei auch von Kirchen.
Die Erinnerung an die Verbrechen der deutschen Besatzer in der damaligen Sowjetrepublik zwischen 1941 und 1944 bezeichnete Bundespräsident Steinmeier als eine „Verpflichtung, die niemals erlischt“. Er fügte hinzu: „Und so stehe ich heute vor Ihnen – als Bundespräsident, als Deutscher und als Mensch – dankbar für die Zeichen der Versöhnung und voll Scham und Trauer über das Leid, das Deutsche über Ihr Land gebracht haben.“ Steinmeier ist der erste deutsche Bundespräsident, der das Land seit seiner Unabhängigkeit 1991 besucht.
Steinmeier erklärte, die NS-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg seien zielgerichtet geplant worden und hätten zu einer „Orgie der Vernichtung“ geführt. In Weißrussland sei jeder vierte Bürger im Krieg getötet und mehr als 600 Dörfer vernichtet worden. 2015 hatte sich die deutsche Bundesregierung in Minsk für die Verbrechen der deutschen SS und Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges in der damaligen Sowjetrepublik Weißrussland entschuldigt.
Auch der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen bekräftigte bei der Zeremonie die Mitschuld seines Landes an den NS-Verbrechen. Zu lange hätten sich Österreicher als die früheren NS-Opfer dargestellt, tatsächlich seien aber auch Österreicher Täter gewesen, sagte Van der Bellen an dem Ort, an dem mindestens 10 000 Juden aus Österreich erschossen oder in Gaswagen erstickt wurden.
Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hob das Leid der Opfer seines Landes hervor. Außer Juden waren das Kriegsgefangene, Partisanen oder Widerstandskämpfer. Auch Lukaschenko trat für einen Dialog in Europa ein.
Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, betonte in Minsk die Bedeutung des Erinnerungsortes für den Frieden. Angesichts der gemeinsamen Geschichte sei das auch ein Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und Weißrussland, sagte die Theologin, die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. „Auf dem Boden der Versöhnung können Hass und Rassismus nicht wachsen“, unterstrich sie.
Steinmeier, Lukaschenko und van der Bellen gingen gemeinsam die etwa 500 Meter vom Eingang der Gedenkstätte bis zum sogenannten Platz des Todes. Es ist die Strecke, die zehntausende Menschen zu den Gruben gehen musste, vor denen sie erschossen wurden.
Vor der Einweihung hatte Steinmeier in dem nach seinem Amtsvorgänger Johannes Rau benannten Zentrum des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks mit jungen Historikern über Möglichkeiten der Erinnerungskultur diskutiert. epd