Plüschige Sessel und Sitzecken umrahmt von dunklem Holz und nostalgischer Einrichtung, umweht vom Duft frisch gebackenen Kuchens und dezente Musik – eine anheimelnde Atmosphäre empfängt den Besucher im „Café Sherlock“ im Hillesheimer „Kriminalhaus“. Diese heile Welt, die an das England zu Beginn des vorigen Jahrhunderts erinnert, will nicht so recht zu dem passen, was die Gäste da an Wänden, in Vitrinen und Regalen und auf Simsen sehen: Spuren von Verbrechen, Mord und Totschlag.
Nicht nur in dem mit vielen Einzelstücken eingerichteten Café – dem Herzstück des Kriminalhauses mit Deutschlands größter Sammlung an Kriminalliteratur – gibt es jede Menge Details zu entdecken: Zahllose Fotos, handsignierte Autogrammkarten und Plakate von berühmten TV- und Filmermittlern zieren die Wände.
Unter Glas: Requisiten aus Krimiklassikern
„Beweisstücke“, Mordwaffen und Requisiten aus Krimiklassikern werden in „Thementischen“, die Meisterdetektiven wie Philip Marlowe, Kommissar Maigret oder Pater Brown und ihren bekannten Fällen zugeordnet sind, unter Glasplatten präsentiert. An den Geistlichen etwa erinnern ein runder schwarzer Hut, Rosenkranz, Gebetbuch, Regenschirm und ein alter Hammer – Insider erinnert er an Gilbert K. Chestertons Werk „Der Hammer Gottes“. Für Gesprächsstoff ist gesorgt. Denn die Thementische sind Teil des Mobiliars, an dem die Gäste „Miss Marples Cream Tea“, die „Sherlock-Holmes-Torte“ oder das „Tatort Toastie“ zu sich nehmen.
Das Kriminalhaus ist das „gemeinsame Kind“ von Ralf Kramp und seiner Frau Monika, beide ausgesprochene Krimi- und Englandfans. Der Autor übernahm vor einigen Jahren einen Krimiverlag und holte ihn nach Hillesheim. Vor knapp drei Jahren zogen die Kramps dann in das jetzige Gebäude. Monika Kramp, gelernte Gastronomin, betreibt dort das Café, eine angeschlossene Buchhandlung und ein Antiquariat; Ralf Kramp kümmert sich um den Verlag und das Kriminalarchiv.
Die Spur des Verbrechens kennt bei Kramps keinen Feierabend. „Kein Fernsehabend ohne Krimi“, verrät der Autor. „Er hat alles, was ein gutes Buch haben muss – Liebe, Spannung, Gefahr und Dramatik“, erläutert Monika Kramp ihre literarische Faszination für Verbrechen. Ehemann Ralf holt weiter aus: Über den Krimi könne man das Böse an sich ranlassen; der Leser sei als unmittelbarer Beobachter dabei und gehe gedanklich mit auf die Tätersuche. „Ist der Täter dann gefasst, ist die Welt wieder in Ordnung – so wie es im wirklichen Leben nicht passiert“, erläutert der Preisträger der „Herzogenrather Handschelle“ 2010. Bei einem wirklich guten Fall überlege der Leser schließlich, ob er in diesem Fall selbst zum Täter hätte werden können.
Selbst im Urlaub begeben sich die Kramps auf Spurensuche. „Wir können unser Glück kaum fassen, dass wir die gleiche Leidenschaft haben“, sagt Monika Kramp. „Wir sind manische Flohmarktgänger, knapp vor ungesund“, wie ihr Gatte schmunzelnd bemerkt. Alte englische Landkarten, Teetassen, Häkeldeckchen, ausgemusterte Telefone und Schreibmaschinen, Lupen und Pfeifen – unzählige Exponate hat das Ehepaar in den vergangenen Jahren zusammengetragen. Mit allem, was die Kramps gefunden haben – Monika Kramp korrigiert: „was uns gefunden hat“ – sind das Café und die angrenzenden Räume und Etagen bestückt. Mehrere tausend Teile sind inzwischen zusammengekommen.
Und über 30 000 Krimis aus aller Welt. Denn im zweiten Stock befindet sich zugleich die größte Sammlung deutschsprachiger Kriminalliteratur, eine hierzulande wohl einmalige Literatursammlung. Rund 10 000 Werke hat Kramp beigesteuert, 20 000 stammen aus der privaten Sammlung des Bonner Sammlers Thomas Pzybilka, die Krimifan Kramp „vor dem Verramschen gerettet“ hat.
Selbst Krimi-Fachleute werden hier noch fündig
Über eine knarzende Treppe gelangt der Besucher in die Präsenzbibliothek im zweiten Stock. Bequeme Ledersofas laden zum Schmökern und stundenlangen Abtauchen ein. „Von knallharten Krimis wie CSI bis zu herrlich verplüschten Cosy-Krimis ist alles dabei“, sagt der 53-Jährige. „Egal, welche Vorliebe ein Krimiliebhaber hat – irgend etwas findet er hier immer“, beobachtet er. Neulich erst habe ein Sherlock-Holmes-Fachmann nach Kurzgeschichten gesucht, die er noch nicht kannte – und tatsächlich drei gefunden. „Auch für Fachleute ist es interessant, hierher zu kommen“, freut sich Kramp, der in seinem braunen Fischgrätensakko selbst very british wirkt.
Ohnehin ist Hillesheim und Umgebung für viele Krimifans längst kein Geheimtipp mehr. Denn gerade die Eifelkrimis haben – Jahre vor den Taunuskrimis von Nele Neuhaus – einen Trend ausgelöst. „Eifelkrimis waren die ersten, die um eine deutsche Landschaft und ihre Bewohner kreisten“, erzählt Kramp. Der Hype habe mit Jacques Berndorfs im Jahr 2000 veröffentlichtem „Eifelblues“ begonnen – und dem Landstrich zahlreiche Besucher beschert. „Es kamen schon Touristen aus dem Bayerischen Wald, die mal sehen wollten, ob es wirklich so aussieht wie im Krimi beschrieben“, beobachtet Kramp. „Die Eifel wird über Krimis entdeckt.“
Findigen Touristikern kam diese Entwicklung sehr gelegen. Sie ernannten Hillesheim selbstbewusst zur „Krimihauptstadt“. Viele Schauplätze von Berndorfs und Kramps „Fällen“ finden sich im „Eifelkrimiwanderweg“ wieder. Bei Krimiwanderungen können die Teilnehmer gemeinsam Kriminalfälle lösen oder eine Radtour durch die „Krimi-Eifel“ unternehmen. Und auch Geschäfte und Gastronomie sind auf den Trend eingestiegen, etwa mit „Urlaub hinter Gittern“. Das Thema Krimi sei „ein echtes Alleinstellungsmerkmal“, erklärt Kramp.
Und so finden im Kriminalhaus regelmäßig Lesungen mit bekannten Autoren und Schauspielern sowie Events wie 2015 zum 125. Geburtstag von Agatha Christie statt. Den Besuchern gefällt‘s, wie die Kommentare im Gästebuch beweisen: „ein Haus voller Geschichten“, „Mordsspaß“, „ein kriminell guter Abend“.
Das Kriminalhaus mit Kriminalarchiv hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Außerhalb der bundesdeutschen Ferienzeiten ist es montags geschlossen. Adresse: Am Markt 5-7, 54576 Hillesheim, Telefon (0 65 93) 80 94 35. Weitere Informationen im Internet unter www.kriminalhaus.de; www.blutspur.de, www.krimiland-eifel.de.