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Beharrlich, großzügig, sachkundig und kreativ

Kirchengemeinden, diakonische Einrichtungen und Flüchtlingsinitiativen – in der Region der Landeskirche gibt es viel Solidarität mit Familien, die unter dem russischen Überfall leiden und solchen, die sich auf den Fluchtweg gemacht haben

Von Uli Schulte Döinghaus

Nach mühsamer Fahrt durch die Ukraine, Polen und den Osten von Brandenburg wurde die junge ukrainische Flüchtlingsfamilie aus der Region Berdytschiw in einer Köpenicker Einrichtung in Berlin willkommen geheißen. Die barrierefreie Unterkunft in einer Pflegeeinrichtung war auch gut für die Mutter im Rollstuhl. Möglich machte diese unentgeltliche Hilfe die diakonische Stephanus-Stiftung. Sie bietet in Berlin und Brandenburg Dienste für geflüchtete Menschen und Menschen im Alter an sowie Wohn- und Arbeitsangebote für Menschen mit Beeinträchtigung oder psychischer Erkrankung. 

Zurzeit forschen Mitarbeitende nach weiteren Unterkunftsmöglichkeiten in den Pflege- und Wohneinrichtungen. „Wir wollen besonders auch solche Kriegsflüchtlinge aufnehmen, die beeinträchtigt oder behindert sind“, sagt Martin Jeutner, Pressesprecher der Stephanus-Stiftung. In den Werkstätten am Templiner Waldhof wurden zuletzt Transporte mit Hilfsgütern in die Ukraine zusammengestellt, die am 8. März auf die Reise an die polnisch-ukrainische Grenze gingen. Bürger aus der Umgebung hatten Schlafsäcke, geladene Powerbanks mit Kabel, Batterien, Konserven, Medizin, Hygieneartikel für Frauen und Babys sowie Tierfutter vorbeigebracht. 

Das alles wurde auch von den Mitarbeitern in den Templiner Werkstätten organisiert. Zum Beispiel Susan Kestel und Albin Becic. Er sagt: „Ich selbst musste 1993 aus Bosnien vor dem Krieg flüchten. Deshalb kann ich mir das Leid der Menschen in der Ukraine nicht nur vorstellen, sondern auch mitfühlen. Ich will ihnen helfen.“

Erfahrungen anwenden

„Der ehrenamtliche Einsatz vieler Kolleginnen und Kollegen ist groß“, sagt Pressesprecher Jeutner und erzählt von Spendensammelaktionen in Templin, Bad Freienwalde und Berlin-Weißensee. Dort sammelte das Kollegium der Stephanus-Grundschule Kleidung, Decken und Schuhe für die Ukraine sammelte. Einige der Transporte sind aktuell unterwegs und sollen auf der Rückfahrt geflüchtete Menschen mit nach Deutschland bringen.

Das freiwillige Engagement der Stephanus-Stiftung steht beispielhaft für die Hilfsbereitschaft von Kirchengemeinden, diakonischen Trägern und Initiativen, die von Christ*innen getragen werden. Viele von ihnen haben Erfahrungen während der Syrienkrise und danach gesammelt, als es darum ging, Flüchtlinge willkommen zu heißen, sie warmherzig zu empfangen, ihnen beim Deutschlernen zu helfen, sie durch bürokratische Prozeduren zu schleusen, zu integrieren und zu Freunden zu machen. Damals entstand in Jüterbog und Umgebung eine Flüchtlingsinitiative, die heute „Gemeinsam in Jüterbog“ heißt.

Syrer*innen helfen mit

Bis heute ist ein Kern von rund 15 Mitstreiter*innen in der Gruppe aktiv, die von der pensionierten Jüterboger Pfarrerin Mechthild Falk geleitet wird. Zurzeit bereitet sich „Gemeinsam in Jüterbog“ auf Solidaritätsaktionen und aktive Hilfe für ukrainische Flüchtlinge vor, die in Jüterbog und Umgebung ankommen. 

Erfreut, fast überwältigt, ist Mechthild Falk von der spontanen Hilfsbereitschaft syrischer Flüchtlingsfamilien, die in Jüterbog Fuß gefasst haben. „Sie wollen Menschen helfen, die im Augenblick ein ähnliches Schicksal wie sie erleiden“, sagt Mechthild Falk. Sie zitiert einen syrischen Freund, der ihr über Whatsapp schreibt: „Die Seele der Menschheit ist unteilbar. Was kann ich tun?“

Die Hilfsbereitschaft der Christen in der Region ist beeindruckend. Geld- und Sachspenden kommen Kriegsflüchtlingen ebenso zugute wie ukrainischen Familien, die ausharren. Überall fanden und finden Friedensandachten statt, die auch für Sammlungen und Spenden genutzt werden. 

In der Görlitzer Peterskirche etwa wurde zu einer „Musikalischen Andacht für die Menschen in der Ukraine“ gemeinsam mit dem Gustav-Adolf-Werk der EKD eingeladen, das zurzeit besonders die Christinnen und Christen der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine und Aktionen in den Partnerkirchen Polens, Ungarns, der Slowakei und Rumäniens unterstützt.

Energieverbrauch halbieren

Da oder dort kommt die Symbolkraft der Kreativität zum Zug: „Kein Gas für Putins Waffen“, so überschrieb die Kirchengemeinde Heilig-Kreuz-Passion in Berlin-Kreuzberg ihre Solidarität mit der Ukraine. Seit Aschermittwoch und während der Fastenzeit will man den Gas- und Heizenergieverbrauch um die Hälfte reduzieren. „Mit jedem Kubikmeter verbranntem Gas finanzieren wir den Krieg in der Ukraine. Dieser Gedanke ist unerträglich“, sagt Pfarrer Peter Storck. 

Von der Kirche im märkischen Brieselang ging eine Menschenkette aus, die 150 Bürgerinnen und Bürger miteinander verband. „Die Kirchenglocken läuteten“, heißt es in einem Rückblick der Gemeindeverwaltung, „und die Polizei begleitete die Kundgebung, die unter den traurigen Umständen als erste Art im Havelland offiziell angemeldet war“. 

Mit dem Läuten war die Gemeinde Teil einer europaweiten Aktion am vergangenen Donnerstag um 12 Uhr. Kirchen sollten für die Dauer von sieben Minuten ihre Glocken läuten als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und zum Gedenken an die Kriegstoten. Sieben Minuten für jeden Tag, den der Krieg schon dauert. Initiiert wurde das Geläut von der Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Bauhüttenmeister.