Beethovens Neunte ist rund um den Erdball bekannt. “Freude, schöner Götterfunken” – herrliche Worte zu herrlicher Musik, die vielleicht Trost geben in dunkler Zeit; so auch zum 200. Jahrestag ihrer Uraufführung.
Die 9. Symphonie in d-Moll op. 125 von Ludwig van Beethoven (1770-1827) – uraufgeführt am 7. Mai 1824 – ist aus verschiedenen Gründen einzigartig. In seiner letzten vollendeten Symphonie setzt der Komponist im Finalsatz erstmals zusätzlich zum Orchester Gesangssolisten und einen Chor ein. Die Melodie des Schlusssatzes ist seit 1972 Hymne des Europarates, seit 1985 auch der Europäischen Gemeinschaft beziehungsweise der Europäischen Union. 2001 wurde die Original-Handschrift der Neunten ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen, insbesondere für ihre “völkerverbindende Idee”.
Mit einer Aufführungsdauer von gut 70 Minuten sprengte sie nicht nur die damals üblichen Dimensionen. Um 1978 bildete die Neunte angeblich den Maßstab für die Spieldauer der neu erfundenen Audio-Compact-Disc: Sie umfasst 74 Minuten, damit Beethovens Neunte ohne CD-Wechsel komplett angehört werden kann.
Als Text des Schlusschors wählte Beethoven das erstmals 1785 veröffentlichte Gedicht “An die Freude” von Friedrich Schiller (1759-1805), das ihn schon als jungen Mann in Bonn faszinierte. Fast sein ganzes Leben lang war er von der Vision bewegt, “dass alle Menschen zu Geschwistern werden”. Seine Pläne einer neunten Symphonie setzte er erst ab 1821 in Baden bei Wien um. Die Entscheidung, im Schlusssatz ungewöhnlicherweise Singstimmen einzusetzen und dabei Schillers Ode zu vertonen, fiel sogar erst Ende 1823. Dabei hatte er bereits 1817 von der Londoner Philharmonic Society den Auftrag zur Komposition für zwei Symphonien erhalten.
Uraufgeführt wurde das Mammutwerk am 7. Mai 1824 im Wiener Theater am Kärntnertor. Beethoven war damals bereits völlig ertaubt. Das Konzert begann mit der Ouvertüre zu “Die Weihe des Hauses” op. 124, gefolgt von Kyrie, Credo und Agnus Dei aus der “Missa solemnis” op. 123, die Beethoven für sein bestes Werk hielt. Für die Aufführung dieses geistlichen Werkes musste der Erzbischof um Erlaubnis gebeten werden, und die Stücke durften nicht als Messteile, sondern nur als “Hymnen” angekündigt werden.
Die Neunte, die zum Schluss des langen Abends erklang, wurde mit frenetischem Beifall gefeiert. Ob Legende oder Wahrheit: Die Sopranistin Caroline Unger drehte den mit dem Rücken zum Publikum stehenden Komponisten zum Publikum um, damit er die begeisterte Menge sehen konnte. In London gelangte das von der Philharmonic Society of London in Auftrag gegebene Werk erstmals am 21. Mai 1825 unter Leitung von Sir George Smart zur Aufführung.
Am 19. Januar 1972 erklärte der Europarat in Straßburg den vierten Satz von Beethovens Neunter zur Europahymne. In der Begründung heißt es, sie versinnbildliche die Werte, die alle teilen, sowie die Einheit in der Vielfalt. Darauf erhielt der österreichische Stardirigent Herbert von Karajan den Auftrag, eine Instrumentalversion der berühmten “Ode an die Freude” zu komponieren. Diese wurde 1985 auch von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft, später der Europäischen Union, als offizielle Hymne angenommen.
Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020, die zufällig ins Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag Beethovens fiel, bekannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem EU-Parlament: “Mich erfüllt diese neunte Symphonie immer noch und immer wieder neu. Bei jedem Hören entdecke ich etwas anderes in der Musik, was mich trifft und beeindruckt, so wie Europa auch”, sagte sie im Juli 2020 in Brüssel. Sie wünsche sich, dass die Botschaft dieser Musik, die Idee der Brüderlichkeit und Eintracht, Europa leite.