Zu Beginn des 4. Jahrhunderts lebte eine Kaufmannstochter namens Barbara in Nikomedia, dem heutigen Izmit an der türkischen Westküste. Wenn ihr Vater auf Reisen ging, sperrte er sie in einen Turm. Heimlich trat sie zum Christentum über. Der Vater lieferte seine Tochter daraufhin den römischen Schergen aus: Als Barbara in den Kerker gezerrt wurde, verfingen sich Kirschzweige in ihrem Kleid. Die Gefangene gab ihnen Wasser aus ihrer Trinkschale. Da öffneten sich am Tag ihrer Hinrichtung die Blüten.
Mit Frühblühern klappt der „Barbara-Brauch“
So jedenfalls berichtet es eine Legende aus der Zeit der letzten großen Christenverfolgung im Römischen Reich. Die historische Existenz der Märtyrerin ist nicht verbürgt. Dennoch wurde Barbara zu einer populären Heiligen. Vor allem in katholischen Regionen – aber nicht nur da – schneidet man an ihrem Gedenktag, dem 4. Dezember, Kirschzweige und stellt sie in lauwarmes Wasser, damit sie zu Weihnachten blühen.
„Das funktioniert auch mit Pflaumenzweigen ganz gut“, sagt Sönke Hofmann vom Naturschutzbund Deutschland. Hauptsache, es sind Frühblüher: Kornelkirsche, Schlehe, Forsythie. Symbolisch stehen die Blüten auch dafür, dass der Gläubige durch die Geburt Jesu zu neuem Leben erwacht.
Öffneten sich die Blüten pünktlich am Weihnachtsmorgen, galt das früher als gutes Omen. Der erblühte Zweig wurde oft auch als Orakel gesehen, sollte etwa Glück in der Liebe voraussagen. Wer Pech hatte, kam andererseits „auf keinen grünen Zweig“.
Wobei Frühblüher wie Kirsche und Schlehe schon blühen, bevor sie grün werden, also Blätter treiben. Wie machen sie das ohne Photosynthese? „Die Nährstoffe sind bei Gehölzen in Stamm oder Wurzeln gespeichert“, erläutert Botanikerin Hilke Steinecke vom Frankfurter Palmengarten. „Die Stärke kann bei Bedarf schnell mobilisiert werden. Es entsteht Zucker, der den Pflanzen dann als Energielieferant zur Verfügung steht.“ Die Frühblüher wollen mit ihrer Pracht die ersten Insekten anlocken, meist Hummeln und Wildbienen.
Wer schon mitten im Winter Blüten an heimischen Pflanzen bewundern möchte, muss aber keinen Zweig in die Wohnung holen. Auch bei Schnee und Frost gedeihen die Winterblüher. Am bekanntesten ist die Christrose, die Ende November schon Knospen hat. Sie gehört zur giftigen Familie der Hahnenfußgewächse und ist in Europa verbreitet: in den Alpen, dem Apennin und dem nördlichen Balkan. Ihr Gattungsname Helleborus niger weist sie als „Nieswurz“ aus: Ihre unterirdischen Ausläufer (Rhizome) sind schwarz und lösen in pulverisiertem Zustand Niesreiz aus.
Niesen galt in der Antike und im Mittelalters als gesund, weil es vermeintliche „schwarze und gelbe Galle“ ausleitete. Vor allem bei Geisteskranken und Epileptikern wurde die Nieswurz eingesetzt. Der römische Komödiendichter Plautus lässt in seiner „Zwilling“-Komödie den Patienten 20 Tage lang niesen. Später hielt sich das Niespulver jahrhundertelang als Bestandteil des Schnupftabaks.
Die Christ- oder Schneerose blüht im Winter und dann bis in den April hinein. Da im Winter keine Insekten fliegen, bleibt die Narbe bis in den Vorfrühling fruchtbar. Zudem kann sich die Blume auch selbst bestäuben. Die Christrose ist immergrün.
Die meisten Winterblüher in unseren Gärten und Parks kommen aus Nordamerika oder Asien. Etwa der Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum), der in den chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan heimisch ist. Nach Europa kam er 1844. Er wirft im Herbst seine Blätter ab und blüht von Dezember bis April an kahlen Zweigen. „Die gelben Blüten können zwar bei starkem Frost erfrieren“, sagt Hilke Steinecke. „Es gibt aber viele Reserveknospen, die gleich wieder austreiben, wenn es wärmer wird.“