Vor der Debatte über einen Gesetz zur Neuregelung der Abtreibungsfrage warnt die katholische Kirche vor einem abgestuften Lebensschutzkonzept. Wenn das Gesetz beschlossen werde, habe das Auswirkungen auf andere Bereiche.
Die katholische Kirche warnt vor einer überstürzten Abstimmung über einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Abtreibungsfrage. Dass der Gesetzentwurf zwischen Vertrauensfrage und Neuwahlen im Bundestag behandelt und zum Gegenstand des Wahlkampfs gemacht werden solle, sei dem Thema nicht angemessen, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag. Es brauche eine breite gesellschaftliche Debatte. Der Bundestag befasst sich am frühen Donnerstagabend in Erster Lesung mit dem Gesetzentwurf. Ob vor den Neuwahlen noch darüber abgestimmt werden kann, ist derzeit unklar.
Zu Recht betone der Entwurf die grundrechtliche Stellung der Frau, bekräftigte Bätzing. Er verhalte sich aber zur grundrechtlichen Position des ungeborenen Lebens nicht ausdrücklich. Der Entwurf führe stattdessen an, dass eine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Situation notwendig sei. Er befürchte zudem, so Bätzing weiter, bei einer Verabschiedung des Entwurfs mögliche Auswirkungen auch auf andere Rechtsbereiche, weil in dem Entwurf mit einem abgestuften Lebensschutzkonzept argumentiert werde. “Dies wäre ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel”, so Bätzing.
Kern des vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen vorgelegten Entwurfs zur bisherigen Abtreibungsregelung ist, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sind. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig zudem von der Krankenkasse übernommen werden.
In Deutschland sind derzeit Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung.
Ausdrücklich betont Bätzing, es geht nicht darum, Frauen, die einen Abbruch erwögen, zu kriminalisieren oder stigmatisieren, wie dies Befürworter einer Reform mit Bezug auf die derzeitige Regelung meinten. Die derzeit geltende Regelung setze bereits auf die Letztentscheidung der Frau und basiere auf dem Prinzip “Hilfe statt Strafe”. Die Verortung im Strafrecht diene dazu, das Bewusstsein vom verfassungsrechtlichen Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens wach zu halten.