Die unschätzbare Bedeutung der Natur für die Medizin ist Gegenstand einer Ausstellung im Senckenberg-Naturmuseum in Frankfurt am Main. „Naturschutz ist Menschenschutz“, fasste der Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, am Dienstag zusammen. Was der Natur zugutekomme, komme der menschlichen Gesundheit zugute. Die „Naturapotheke“ sei durch den Verlust der Artenvielfalt und die menschliche Ausbeutung der Naturressourcen stark bedroht, ergänzte die Direktorin des Naturmuseums, Brigitte Franzen. Die Schau „Natur + Medizin“ ist ab Donnerstag als neuer Teil der Dauerausstellung zu sehen.
Ein wandgroßes Leuchtbild zeigt einen Dschungel mit bunten Pflanzen und Tieren in der Fantasie entsprungenen Größenverhältnissen. Die 110 abgebildeten Organismen liefern wirksame medizinische Substanzen wie etwa das echte Mädesüß, dessen getrocknete Blätter etwa als Teeaufguss seit Jahrtausenden gegen Fieber und Schmerzen genutzt werden, wie die Kuratorin Adela Kutschke erklärte. Die Pflanze enthält das ätherische Öl Salicylaldehyd, aus dem die Pharmaforschung die Acetylsalicylsäure (ASS) gewinnt, besser bekannt als Aspirin.
Aber auch „falsche Medizin“ zeigt die Ausstellung, darunter ein Tigerfell, den Stoßzahn eines Narwals oder Modelle des Horns eines Nashorns oder eines Schuppentiers. Diese Tiere würden gejagt und getötet für vermeintliche Wirkstoffe, die es in Wirklichkeit gar nicht gebe, sagte Kutschke. Von der Decke hängende Modelle des Pestbakteriums, eines Malaria-Erregers und des Coronavirus mahnen an die Gefahr, wenn Krankheitserreger von Tieren auf Menschen überspringen oder umgekehrt. Die Modelle von Tiermärkten und einem Schweinemastbetrieb erinnern dabei an die Verantwortung des Menschen.
Die größte Abteilung gilt der Medizin der Tiere. Modelle in Schaukästen führen vor Augen, wie Tiere Gesundheitspflege mithilfe der Natur betreiben. So setzen sich Eichelhäher in die Nähe von Ameisenhaufen und lassen sich durch Ameisen mit deren Ameisensäure das Gefieder von Parasiten reinigen, wie Kurator Thorolf Müller erklärte. Ähnliches machen die Schwarzmaki-Lemuren auf Madagaskar, die ihr Fell mit Tausendfüßler-Sekret einreiben, in dem Benzochinone enthalten sind. Sie genießen noch die Nebenwirkung, dass die Flüssigkeit berauschend wirkt.
80 Prozent der Arten seien unbekannt, und viele verschwinden, bevor ihre Wirkstoffe erkannt würden, sagte Müller. Ein neuer Umgang mit der Natur sei auch für das weltweite Gesundheitswissen notwendig, resümierte Direktorin Franzen.