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Ausnahmeerscheinung Käthe Kollwitz im Frankfurter Städel Museum

Käthe Kollwitz ist wohl die berühmteste deutsche Künstlerin der Moderne – und zugleich ein Mythos. Nun widmet das Städel Museum ihrem Gesamtwerk die Ausstellung “Kollwitz”.

327 Straßen, 75 Wege und mindestens 40 Schulen sind nach Käthe Kollwitz, Grafikerin, Malerin und Bildhauerin, benannt. Große internationale Popularität genoss Kollwitz (1867-1945) bereits zu ihren Lebzeiten in Deutschland. Heute gilt sie als die wohl berühmteste deutsche Künstlerin, sowohl unter Frauen als Männern, deren kühnes, eigensinniges und politisches Gesamtwerk nun in der Ausstellung “Kollwitz” im Städel Museum Frankfurt bis zum Sommer gezeigt wird.

“Kollwitz ist ein Monolith von atemberaubender Kraft und Kreativität”, sagte der Direktor des Städel Museums, Philipp Demandt, am Dienstag vor Journalisten. “Sie wurde von vielen gesellschaftlichen wie politischen Ismen instrumentalisiert, weshalb es uns umso zwingender erscheint, den ‘Mythos Kollwitz’ zu beleuchten.” Dabei gehe es explizit um “Kollwitz ohne Käthe”, so Demandt, um eine Auseinandersetzung ohne kitschige Betroffenheit oder Vereinnahmung.

Die Ausstellung zeigt mehr als 110 Werke der Künstlerin und verteilt sich raumgreifend über zwei Stockwerke des Städel Museums. Zwischen Grafiken, Zeichnungen und Radierungen und Büsten schaut eingangs das lebensgroße Bild von Kollwitz auf die Besuchenden und betrachtet sie kritisch, interessiert, beinah schmunzelnd. Die Augen sind es auch, die aus dem berühmten schmollenden Selbstporträt blicken, diesmal fast wütend, oder auf einer Radierung nachdenklich, mit einer Hand auf dem hochschwangeren Bauch.

So offen, uneitel und distanzlos Kollwitz sich selbst darstellte, so empathisch und politisch ließ sie sich von ihrem Umfeld inspirieren. “Kollwitz scheute sich nie, unbequem zu sein”, erklärte die Kuratorin Regina Freyberger. Sie widme sich existenziellen Grundfragen wie Mutterschaft, Krieg, Tod und sei immer auf der Suche nach der Natürlichkeit und Echtheit, ganz im Sinne der Moderne, so Freyberger. Ihr Leben und die rund 55 Jahre ihrer Schaffenszeit wurden vom Deutschen Kaiserreich, dem Ersten Weltkrieg, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg geprägt.

Umbrüche und gesellschaftliche Veränderungen verarbeitete Kollwitz dabei aus der Perspektive der Arbeiter, der Frauen und Mütter und Opfer der Kriege. Die ikonischen Zyklen “Ein Weberaufstand” oder “Bauernkrieg”, Flugblätter gegen Krieg und Abtreibungsparagrafen, aber auch die Abkehr von der populären Malerei hin zur Grafik bezeugen den eigenen Stil von Kollwitz, ihre künstlerische Ernsthaftigkeit und politische Anteilnahme.

Kollwitz lässt sich nicht als kommunistisches Idol oder unpolitische Freiheitsliebende instrumentalisieren, wie es die DDR und die Bundesrepublik nach ihrem Tod versuchten. Sie ist auch keine Künstlerin, die sich ausschließlich mit Frauenthemen beschäftigt, auch wenn sie oft den Perspektivwechsel übt. Sie war Künstlerin, aber auch Mutter und Ehefrau, Antifaschistin und Sozialistin, aber stets parteilos. Die Ausstellung versucht vorurteilsfrei auf das vielfältige Werk Käthe Kollwitz zu blicken – und ihrer Tiefe, Aktualität und Kreativität Raum zu geben.