Greifswald. Als im Juni 1989, nur wenige Monate vor der Maueröffnung, der Greifswalder Dom nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wieder eröffnet wurde, gab es viel Streit innerhalb der pommerschen Kirche. Der damalige Greifswalder Bischof Horst Gienke hatte ohne Rücksprache mit Synode und Kirchenleitung den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zum Festgottesdienst eingeladen. Nun, 27 Jahre danach, beschäftigen die Nachwirkungen der Domsanierung die Greifswalder erneut – wenn auch aus anderen Gründen.
Die aus dem Mittelalter stammende Kirche war Ende der 1980er Jahre nachhaltig umgestaltet worden. Unter anderem wurde mitten im Kirchenschiff – zusätzlich zum vorhandenen Hochaltar im Ostchor – ein zweiter Altar aufgestellt. Drumherum wurde das alte Gestühl kreisförmig gruppiert. Außerdem wurde das repräsentative Westportal der Kirche verschlossen und im Inneren eine große Chorbühne davor installiert – unter anderem für die jährlich stattfindende Greifswalder Bachwoche. Seitdem gelangen die Besucher durch einen unscheinbaren Eingang an der Nordseite zuerst in einen Vorraum der Kirche und von dort über Eck ins Hauptschiff. Beide, Chorbühne und Mittel-Altar, wirken auf Dompfarrer Matthias Gürtler wie Fremdkörper.
Kirchenraum "braucht klare Linie"
"Man spürt, das gehört so nicht", sagt er und versucht, mit thematischen Abenden die Diskussion über eine erneute Umgestaltung des Innenraums wachzuhalten. Der Kirchenraum müsse einfach gestaltet sein, "eher eine Weite und eine klare Linie haben". Gürtler weiß, dass die aktuell laufenden Arbeiten an der Außensanierung des Doms momentan alle Kräfte binden. Bis Ende 2017 fließen dafür rund fünf Millionen Euro in den von vielen als Greifswalder Wahrzeichen angesehenen Bau. "Aber wir müssen an einer Vision arbeiten". Für diesen Weg bekommt Gürtler Unterstützung vom Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen.
Claussen hatte sich vor kurzem bei einem Besuch in Greifswald einen Eindruck vom Kirchenraum des Greifswalder Doms gemacht. Die Eingangssituation an der Nordseite der Kirche sei "sicher diskussionswürdig", sagt er und verweist darauf, dass die ursprünglichen Eingangsportale an der Westseite der Kirchen eine eigene Funktion haben: Das Betreten einer Kirche sei ein wesentlicher Akt für das Erleben des Gebäudes und dessen, was sich darin abspielt. Grundsätzlich müsse die Diskussion darüber erlaubt sein, ob die Baumaßnahmen Ende der 1980er Jahre sinnvoll waren.
"Ein notwendiger Konflikt"
"Ich finde gut, dass die Frage in Greifswald nicht nur ein bauhistorisches Thema ist", lobt Claussen die öffentlich geführte Debatte um die Innengestaltung des Doms. "Das ist ein notwendiger Konflikt". Der pommersche Kirchenhistoriker Irmfried Garbe sieht das anders. Eine Arbeitsgruppe habe sich von 1980 bis 1987 viele Gedanken über die Umgestaltung gemacht, weiß er aus seinen Recherchen. "Man wollte moderne Gemeinde sein." Der Mittel-Altar als liturgisches Zentrum habe der damaligen Zeit entsprochen. Angesichts des weiterhin großen Sanierungsbedarfs an vielen pommerschen Kirche hält Garbe Überlegungen zu einer erneuten Umgestaltung des Doms für eine "Luxusdiskussion".
Eine Diskussion, die auch die Denkmalbehörde des Landes mit Sitz in Schwerin momentan für überflüssig hält. Aus ihrer Sicht war die Sanierung als Ost-West-Kooperation – die Nordelbische Kirche hatte damals einen Großteil der Kosten getragen – eine historische Konstellation, an der es nichts zu rütteln gibt. Während der EKD-Kulturbeauftragte Claussen dies etwas zurückhaltend eine "positivistische Argumentation" nennt, geht Dom-Pfarrer Gürtler in seiner Kritik darüber hinaus: "So ein Tabu aufzurichten geht mir zu weit". Die Gemeinde werde gegängelt und ihres Gestaltungsspielraums beraubt. Doch auch er weiß um die kritischen Stimmen zu diesem Thema: "Wir können viele Umgestaltungen überlegen, aber zum Schwur muss es noch kommen".
Den will auch das Landesamt für Denkmalpflege erst einmal abwarten. "Entscheidend wird zunächst sein, worauf sich Gemeinde verständigt", sagt Leiter Michael Bednorz. Erst wenn konkrete Vorstellungen der Domgemeinde vorliegen, sei "eine Grundlage für staatliches Handeln gegeben". Dompfarrer Gürtler zeigt sich optimistisch: "Wir arbeiten so, dass die bisher ablehnende Haltung aus Schwerin nicht der Weisheit letzter Schluss ist". (epd)