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Auf der Suche nach dem passenden Grab für Dutschke

Rudi Dutschke wurde in Berlin-Dahlem auf dem Sankt-Annen-Kirchhof begraben. Sein Grab ist jedoch nicht irgendeines.
Rudi Dutschke wurde 39 Jahre alt. Am 24. Dezember 1979 starb er in seiner Badewanne in Aarhus, Dänemark, in der er einen epileptischen Anfall erlitten hatte und ertrunken war. Der Grund für diesen Anfall lag elf Jahre zurück. Das Attentat im Jahr 1968 hatte bleibende Schäden hinterlassen.
Als Dutschke starb, hinterließ er seine schwangere Frau und zwei Kinder. Für seine Frau Gretchen Dutschke-Klotz begann eine komplizierte Suche nach einer letzten Ruhestätte für ihren verstorbenen Mann. Sie wollte nicht, dass er in Dänemark begraben wird.
Zunächst fragte Gretchen Dutschke-Klotz in Bremen nach, ob Rudi Dutschke dort begraben werden könne. Er war 1979 in die Bremer Grüne Liste eingetreten und sollte nach seiner Beteiligung an deren Wahlkampf im Januar 1980 Delegierter für den geplanten Gründungskongress der Partei „die Grünen“ werden. Da Dutschke vor seinem Tod jedoch in Dänemark und nicht in Bremen lebte, weigerte sich die Stadt, ihn auf einem städtischen Friedhof zu begraben.
Auch in Berlin hatte Gretchen Dutschke-Klotz zunächst keinen Erfolg. Die Stadt weigerte sich, ein Grab für ihren Mann zur Verfügung zu stellen, da der Senat Unruhen befürchtete. Gretchen Dutschke-Klotz wandte sich in ihrer Not schließlich an den langjährigen Freund der Familie, Helmut Gollwitzer. Er rief Pfarrer Berend Wellmann in Berlin-Dahlem an.
Es war der zweite Weihnachtsfeiertag 1979, als das Telefon von Wellmann klingelte. Er war zu dieser Zeit Geschäftsführer und Pfarrer in der evangelischen Gemeinde Sankt Annen. „Als Gollwitzer mich an diesem Abend anrief, fragte er mich, ob in Sankt Annen noch ein Platz für Rudi frei sei. Zu der Zeit waren aber alle Grabstellen besetzt“, erinnert sich Wellmann. Aber es gab ein Grab, das noch leer, aber reserviert war: Es war für Pfarrer Martin Niemöller vorgesehen, Mitglied der Bekennenden Kirche und Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus und nach dem Krieg Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Die Gemeinde hatte die Grabstätte für Niemöller reserviert, weil dieser von 1933 bis 1937 Gemeindepfarrer in Berlin-Dahlem war. Berend Wellmann wählte Niemöllers Telefonnummer: „Als ich Niemöller anrief und ihm von Rudi erzählte, hat er gesagt: ,Gut, dass Sie anrufen, ich will im Familiengrab in Westfalen begraben werden, Sie können über das Grab verfügen‘.“ Pfarrer Wellmann teilte das Ergebnis seiner Bemühungen Helmut Gollwitzer mit. Gretchen Rudi-Dutschke konnte ihren Mann begraben lassen. Bei der Beerdigung hielt der Sozialist Gollwitzer die Ansprache.